Ein Coach für alle Fälle

Wer sich als Ich-AG selbständig macht oder Überbrückungsgeld bekommt, kann sich ein Jahr lang vom Arbeitsamt Coaching finanzieren lassen. 4.600 Euro gibt es pro Person – wofür die ausgegeben werden, entscheidet jeder selbst

taz ■ Erst vor einem halben Jahr haben sich die beiden Friseurinnen Jessica Lipp und Sabine Langeworth mit einem Friseurgeschäft im Viertel selbständig gemacht – und der Laden brummt. Ihr in ungezählten Stunden ausgearbeitetes Business-Konzept geht auf: Wohlfühlen soll sich die Kundschaft. Also keine fiesen Chemikalien, sondern Duftöle und Natur-Haarfarben.

Das Geheimnis ihres Erfolges: Sie haben sich nicht nur vor der Existenzgründung umfassend beraten lassen, sondern nehmen auch jetzt noch vom Arbeitsamt finanziertes Coaching in Anspruch. Denn selbst, wenn die Kasse stimmt – eine Existenzgründung kann auch andere Probleme mit sich bringen. Zum Beispiel eine ungewohnte Rolle, in der man sich erst zurechtfinden muss. „Plötzlich bist Du Führungskraft“, sagt Jessica Lipp. Sie hatte zwar schon als Angestellte andere angeleitet, aber jetzt ist sie erstmals Arbeitgeberin für immerhin vier Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen. Konfliktpotential gibt es auch, weil sie sich die Chefinnenrolle mit ihrer Geschäftspartnerin teilt. Doch bevor etwas hochkochen und das Betriebsklima vermiesen kann, vereinbaren „Lipp und LangewortH“ einen Termin mit ihrer Coacherin.

Anspruch auf diese Maßnahme haben alle ExistenzgründerInnen, die nach einer Arbeitslosigkeit Überbrückungsgeld bekommen. Und seit dem ersten April können auch GründerInnen von Ich-AGs einen Antrag auf Coaching stellen, sagt die Leiterin des Arbeitsamtes Bremen-Ost, Sabine Kettler. In Bremen gelte die Regelung, dass das Coaching bis ein Jahr nach Existengründung in Anspruch genommen werden kann. In welchem Umfang und wie oft – das entscheide jeder selbst. Insgesamt 4.600 Euro pro Nase stehen zur Verfügung. „Mehr als 75 Euro pro Stunde inklusive Mehrwertsteuer darf eine Sitzung aber nicht kosten“, sagt Kettler. Möglich ist auch die Teilnahme an Existenzgründungs-Seminaren. Auch inhaltlich schreibe das Amt nicht vor, zu welchem Thema sich jemand coachen lässt, erklärt die auf Existenzgründungen spezialisierte Amtsleiterin. „Bei den einen läuft die Kundenakquise nicht so gut oder jemand ist sich nicht klar, welche Versicherungen benötigt werden.“

Der Grund für die großzügige Regelung: „Wir hätten sonst viele ausschließen müssen und uns geht es ja darum, dass möglichst niemand wieder arbeitslos wird, weil das Geschäft scheitert“, sagt Kettler. Grenzen setzt das Arbeitsamt trotzdem: „Eine Steuererklärung ist ein Fall für den Steuerberater.“

Dennoch kann auch bei Steuerfragen eine Coacherin zu Rate gezogen werden, sagt die freie Trainerin und Beraterin Sabine Klenke. Sie würde dann eben nicht die Steuererklärung mit ihrem Klienten durchgehen, sondern gemeinsam klären, welche Fragen offen sind und ob eine Steuerberaterin überhaupt hinzugezogen werden muss. „Hilfe zur Selbsthilfe“ sei das. Der Unterschied zur Beratung: „Ein Berater bezieht inhaltlich Stellung und gibt Ratschläge, für die er auch haften muss“, erklärt Klenke. Eine Coacherin hingegen helfe dabei, ein Problem zu definieren. „Wenn sich jemand etwa vor einem bestimmten Kunden fürchtet, versuche ich herauszufinden, was die Ursache der Angst ist, ob es vielleicht weniger am Kunden liegt, sondern etwas in der Klientin anspricht, was diese nicht bewältigt hat“. In Abgrenzung zu einer Therapie gehe es aber nicht um einen Heilungsprozess, sondern darum, dass jemand ein selbstgestecktes Ziel erreichen kann. Eiken Bruhn