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Archiv-Artikel

Pommes für CNN

Arabiata: Als Kriegsberichterstatter unterwegs in Kartoffelsäcken

Wer kein Pressevisum hat, muss von Syrien oder der Türkei aus illegal die Grenze überqueren

aus Amman BJÖRN BLASCHKE

Am Abend der Schlacht, der ersten dieses Krieges, war ich auf Reisen – via Teheran und Istanbul aus dem Nordirak nach Jordanien. Ich saß auf dem Atatürk-Flughafen fest, weil vor allem Militärmaschinen in Richtung Irak flogen. Ich sah fern und dabei einen CNN-Korrespondenten. Er stand auf einem Feld in der Nähe von Erbil, der so genannten Hauptstadt der autonomen Kurdenprovinzen im Nordirak, aus der ich gerade kam.

Auf einem Feld! Das ließ ihn abenteuerlich, irgendwie ganz schön kriegsberichterstattlich wirken. Doch das wollte so gar nicht zu dem sonstigen CNN-Auftritt in Erbil passen: Brent Sadler und seine 40 Mitarbeiter haben in der Stadt gleich ein ganzes Hotel gemietet – mit einem 24-Stunden-Catering-Service im voll klimatisierten Speisesaal, einem permanent aufgefüllten Büffet, das aller-aller-leckerste Speisen und Getränke bietet, und einem eigenen Sicherheitsdienst vor dem Gebäude. Und der ist wirklich sicher: Die Dienstler nahmen kürzlich sogar zwei Passanten, die ahnungslos an dem Hotel vorbeigingen, die Kamera ab. Selbst der Hinweis, sie seien Journalisten, half da nichts. Vielleicht machte er sogar alles nur noch schlimmer. Der Chefproducer schaltete sich schließlich ein und stellte die Pressefreiheit wieder her. Danke, CNN.

Während der US-Sender CNN aus dem Nordirak also für seine High-Tech-Sauber-Kriegsbilder ein Super-de-Luxe-Zentrum betreibt, gibt es auch Journalisten im Nordirak. Sie mussten – im Gegensatz zu den schusssicheren CNN-Leuten, die nebst ihrer umfangreichen Ausrüstung mit einem Zwanzig-Tonner-Truck im Nordirak einmarschierten – bisweilen höchst unorthodoxe Reisemethoden wählen: Wer kein Pressevisum für Iran hat und via Teheran halbwegs legal durch die Berge in den Nordirak jückeln wollte, muss von Syrien oder der Türkei aus illegal die Grenze überqueren, weil die Regierungen in Ankara und Damaskus Journalisten nicht mehr passieren lassen.

Manche Kollegen sind dabei so grün hinter den Ohren wie die Grenze, die sie überwinden wollen: Zwei Reporter einer US-amerikanischen Zeitung hatten einfach einen Mann angeheuert, der sie von Silopi in der Türkei zu Fuß über den Fluss Habur bringen sollte. Und das erzählten sie fröhlich jedem, der es nicht hören wollte – zwei, drei Tage bevor sie aufbrachen. So verwunderte es schließlich niemanden, als sie geschnappt wurden, gerade da sie in den Fluss gestiefelt waren. Ihre Ausweisung erfolgte stehenden und vor allem nassen Fußes.

Da muss man schon etwas mehr Fantasie beweisen, wie zum Beispiel jener Korrespondent einer in San Francisco erscheinenden Zeitung. Er erzählte mir in Erbil, dass er über Syrien gekommen sei – illegal selbstverständlich. Er habe sich in der nordsyrischen Stadt Latakia ein Faltboot gekauft, das er in seinen Rucksack stecken konnte. Nach einigen Übungstouren auf dem Mittelmeer sei er an die syrisch-irakische Grenze gefahren. Neugierigen Fragern habe er erklärt, er wolle zu einer Flusswanderung aufbrechen. Tatsächlich habe sich aber umgehend in ein Gebüsch am Euphrat geschlagen, um sich vor den Grenzschützern zu verstecken. Sieben Stunden habe er da gelegen, bis er im Schutz der Dunkelheit über den Fluss rudern konnte. Am anderen Ufer angelangt habe er das Faltboot dann der kurdischen Marine überlassen.

Eine Journalistin, von der mir allerdings lediglich berichtet wurde, soll sich auf der Ladefläche eines Lkw von der Türkei aus aufgemacht haben, in den Nordirak zu gelangen. Da die türkische Regierung ihre Landsleute mit dem reichen Nachbarn Handel treiben lässt – auf der Ebene Lebensmittel gegen Öl –, habe die Journalistin die Gelegenheit beim Schopf gepackt. Sie reiste, so geht die Mär, als „Potato Pack“ ein: als Kartoffelsack. Es gab Kollegen, die witzelten: „Na, hoffentlich wurde sie nicht längst als Pommes an CNN verfüttert; dann doch lieber auf einem Acker ausgebracht …!“