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Archiv-Artikel

Der Experte

Andreas Zumach ist taz-Korrespondent in Genf. Doch in diesen Tagen scheint er überall gleichzeitig

„Ich mag inhaltliche Freiheit, Richtung und Debattencharakter“

von THILO KNOTT

Es kommt nicht oft vor, dass der ARD-„Weltspiegel“ am Sonntag sein laufendes Programm unterbricht. Doch an diesem Tag bittet Tony Blair zur Pressekonferenz. Live-Schaltung. Tita von Hardenberg ist die Moderatorin. Eigentlich. Neben ihr steht Andreas Zumach – und fortan übernimmt der taz-Korrespondent bei der UNO in Genf die Sendung.

Er übersetzt Blair, ordnet dessen Worte ein, interpretiert, was das für die nächsten Wochen und Monate bedeuten mag. Tita von Hardenberg wird sich hinterher bedanken – bei einem „der besten UNO-Experten“.

„Weltspiegel“, „Presseclub“, N 24, Phoenix, n-tv – die Auftritte Zumachs sind nicht gerade weniger geworden, seit die Bush-Regierung beschlossen hat, Krieg zu führen gegen den Irak. Er habe „im Moment keine Freizeit“, sagt Zumach , den die Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung schon mal als „eine Art linken Peter Scholl-Latour“ bezeichnet.

Andreas Zumach (49), in Köln geboren, arbeitet in Genf, dem Sitz der UNO. Normalerweise.Doch versucht man ihn in diesen Tagen zu erreichen, kann es schon sein, dass er wenig Zeit hat – „im Moment ist es schlecht, ich brauche einen Flieger nach New York, später“. Ist ja nicht nur so, dass er von Expertentreffen zu Diskussionsrunde hechelt – „zwei Fernsehsendungen, fünfmal Rundfunk am Tag“, wie er sagt. Vor allem schreibt er. Für die taz. Zumach: „Das sind momentan 23 Stunden am Stück.“

Seit 1987 lebt und arbeitet Zumach in Genf. Seine damalige Lebensgefährtin hatte in der Schweiz einen gut bezahlten Job bekommen. Er ging mit – ohne Anstellung. „Ich habe 120 Briefe an deutsche Redaktionen geschrieben und mich als freier Journalist angeboten“, erzählt Zumach. Allein die taz hat ihn angestellt, zunächst für Zeilenhonorar. Jetzt, 16 Jahre später, habe er zwar das ein oder andere Angebot erhalten. Doch Zumach lehnte immer ab. Er weiß, warum er der taz treu bleibt: „Ich schätze die inhaltliche Freiheit, die Grundrichtung und den Debattencharakter der taz.“

Früher hat er im großen UNO-Pressesaal gearbeitet. Jetzt hat er ein „klitzekleines Büro“, wie er sagt, im 5. Stock des Palais de Nation, dem alten Völkerbundbau in Genf. Dort, wo früher die Korrespondentenbüros der New York Times waren.

„Da bin ich ungestört“, sagt Zumach. Von dort aus hält er die Kontakte, die es braucht, um einen journalistischen Scoop zu landen. Wie just kurz vor Weihnachten, als er exklusiv für die taz die geheime Liste der Waffenlieferanten in den Irak recherchierte – darunter über 80 deutsche Firmen und 2 der 5 Ständigen Mitglieder des UNO-Sicherheitsrates (China und Russland).

Zumach macht nicht viel Aufhebens um den Exklusivbericht. Ein „großes Kontaktenetz“ benötige man dafür, sagt er. Und man müsse sich „rechtzeitig um bestimmte Themen kümmern“.

Auf die Spur der Waffenlieferanten hat ihn die berühmte UNO-Resolution 1441 geschickt. Er habe sich damals nur gewundert, warum darin keine Aufforderung an das irakische Regime formuliert gewesen sei, die möglichen Waffenlieferanten zu nennen. Wie gesagt, er macht darum nicht viel Aufhebens.

Im Gegenteil.

Er habe sich gewundert ob der großen Reaktionen auf den Waffenbericht. Das sei ja nicht ein Thema, das nun völlig neu wäre. Doch offensichtlich sei Journalismus heute „so schnelllebig, dass ich mich fast als Dinosaurier fühlen muss“.

Dinosaurier? Tatsächlich hat sich Zumach schon für Außen- und Sicherheitspolitk, Fragen der internationalen Beziehungen begeistert, als er noch gar nicht in Genf für die taz gearbeitet hat. Nach fünfjährigem Studium von Volkswirtschaft und Journalismus in Köln und nach zweijähriger Redakteurstätigkeit bei der (West-)Berliner Zeitung Die Neue, engagierte er sich in der Friedenspolitik: Er war friedenspolitischer Mitarbeiter der Aktion Sühnezeichen/Friedensdienst (1981 bis 1987), er war Sprecher des bundesweiten Koordinierungsausschusses der Friedensbewegung (bis 1986), er war Mitglied der Sicherheitspolitischen Kommission beim SPD-Parteivorstand.

„Da kommt viel Erfahrung und Kenntnis zusammen, von der ich jetzt profitiere“, sagt Zumach, „ich betreibe fast schon eine Langzeitanalyse.“

Und doch würde er diese gern mal unterbrechen – wenn er denn könnte. „Ich würde gern mal ein Buch schreiben über Cellospielen oder die Zubereitung von Calamaris“, sagt Zumach. Weil er sich gern mal mit etwas anderem beschäftigen würde als mit Krieg und Frieden – mit seinen Hobbys beispielsweise.

Doch geschrieben hat er in diesem Jahr „Irak – Chronik eines gewollten Krieges“ (KiWi, 7,90 Euro). Das Buch hat sich 60.000-mal verkauft und ist in den Bestsellerlisten zu finden.

Und das Cello-Buch? „Kommt irgendwann“, sagt Andreas Zumach. Dann muss er lachen.