: Kein Aufstand am Runden Tisch Bildung
Eine „Unverschämtheit“ finden die Schülervertreter, dass Willi Lemke sich mit seiner Politik auf den „Runden Tisch Bildung“ beruft. Die pädagogischen Berater verweisen gelassen auf die Machtverhältnisse, gegen die kein Rat gut ist
Bremen ■ taz Der große Aufstand, der für die Sitzung des „Runden Tisches Bildung“ am vergangenen Freitag erwartet worden war, blieb aus. Proteste gab es aber – vor allem dagegen, dass der Bildungssenator den Eindruck erweckt, die Schulpolitik der großen Koalition folge den Empfehlungen des Runden Tisches. „Diese Behauptung ist eine Unverschämtheit“, formulierte Lea Voigt von der GesamtschülerInnen-Vertretung (GSV).
Schulrat Gernot Lückert hatte den Stand der Umsetzung der Bildungspolitik dargestellt, „die auf Empfehlungen des Runden Tisches Bildung beruhen“. Am „Runden Tisch“ gibt es eine starke Befürwortung der Vision integrierter Schulsysteme bis Klasse 9, dennoch behauptete der Behördenvertreter in seinem schriftlich vorgelegten Zwischenbericht, „mit einem Kompromiss im Koalitionsvertrag kommen wir dieser Vision schrittweise und praktisch näher“. Die GEW hatte gleich eine ganze Liste von Widersprüchen zwischen den Empfehlungen des Runden Tisches und aktuellen bildungspolitischen Maßnahmen der Behörde vorgelegt.
Kernproblem des Streits ist die Frage, ob Lehrer unterschiedlich begabte SchülerInnen in heterogenen Klassen angemessen fördern können. Diejenigen Eltern, die ihre Kinder nach der Grundschule auf gymnasiale Bildungsgänge anmelden, gehen offensichtlich davon aus, dass die Förderung ihrer Kinder in integrierten Bildungsgängen nicht optimal passiert. Die externen pädagogischen Berater am Runden Tisch sind da anderer Ansicht, der Runde Tisch soll auf seiner nächsten Sitzung diese Streitfrage thematisieren.
Einer der Experten-Berater, Otto Seydel vom Institut für Schulentwicklung (OSIS) in Überlingen, soll die externe Begutachtung der Grundschulen leiten, die Willi Lemke nach der Veröffentlichung der IGLU-Ergebnisse angekündigt hat. Eine schulbezogene Veröffentlichung der Ergebnisse ist nicht geplant. Mit internen Programmen will die Schulbehörde aber den „Problemkindern“ helfen. Schon vor einem Jahr hatte der Runde Tisch ein „Aktionsprogramm Schulen in kritischer Lage“ gefordert. Schulen, an denen die Zahl der Schulabbrecher, die Zahl der Sitzenbleiber oder etwa die Zahl „auffälliger“ Jugendlicher besonders groß ist, sollen Hilfe bekommen. Nach den internen Vergleichsarbeiten der dritten Klasse hat die Bildungsbehörde genaue Informationen darüber, an welchen Schulen oder in welchen Klassen der erreichte Leistungsstand signifikant hinter dem Durchschnitt zurückbleibt.
Während auch am Runden Tisch das große Tempo der Umstrukturierung des Bildungssystems kritisiert wurde, ist die Behörde in zentralen Fragen wie der „Professionalisierung“ der Schulleitung im vergangenen Jahr nicht viel weiter gekommen. „Schulleiter oder Schulleiterin ist ein eigener Beruf“, hatte der Runde Tisch damals festgestellt. Nur wer bei Fortbildungen für die Leitungs-Funktion eine gute Bewertung erhält, sollte sich als Schulleiter bewerben können. „Die Zulassung zur Fortbildung für Schulleitungsqualifikation erfolgt auf der Grundlage eines Gutachtens über die bisherige Tätigkeit“, sollte einer der Grundsätze werden. Diese Professionalisierung und Stärkung sollte die Voraussetzung dafür werden, dass Schulleitungen in Zukunft für ihre Schule verantwortlich gemacht werden können und nicht wie bisher die Verantwortung auf die Behörde abschieben können. Bis zum kommenden Herbst soll dieser Punkt umgesetzt werden, versprachen Behördenvertreter nun.
Kritik gab es am Runden Tisch an der Dramatisierung der IGLU-Ergebnisse durch den Bildungssenator, der von einem „Desaster“ gesprochen hatte. Der Siegener Bildungsforscher Hans Brügelmann kritisierte die „willkürlichen Maßstäbe der Testprogramme“. Immerhin könnten Bremer Viertklässler im Test mit Schülern aus Frankreich und Norwegen mithalten, meinte er. Nach seinen Untersuchungen würde zum Beispiel die Lesekompetenz in den Klassen 5 bis 8 deutlich besser, man solle „also etwas gelassener mit unseren SchülerInnen umgehen“. kawe