: Berufsbildung wird abgeputzt
Aktionstag gegen die Kürzungspläne im Berufsschulbereich: Bündnis fasst Volksinitiative ins Auge, um den Einfluss von Wirtschaft und Hansdelskammer auf die Ausbildung zu begrenzen. Kritik: „Geplant ist das Gegenteil einer Reform“
von KAIJA KUTTER
Seit Dienstagabend kursieren die Pläne der Unternehmensberatungsfirma „Putz und Partner“ zur Reform der Berufsschulen. Gestern wandte sich ein breites Bündnis von GEW , ver.di, Lehrerkammer, SPD, GAL bis hin zur Vereinigung der Berufsschulleiter an die Öffentlichkeit, um diese Pläne zu verhindern. „Geplant ist das Gegenteil einer Reform“, sagte IG-Metall-Chef Frank Teichmüller. Gleichzeitig wurde den ganzen Tag gegen die Kürzungen im Berufsschulbereich demonstriert.
Der Stiftung werden die Vermögenswerte der 49 Berufsschulen und das Dienstrecht über 3500 Lehrer übertragen. Geleitet wird sie von einem „Vorstand“, in dem drei Wirtschaftsvertreter nur zwei von der Behörde ernannten Vorständlern gegenüberstehen und in dem in Grundsatzfragen ein „Einigungszwang“ besteht. Gesteuert und beaufsichtigt wird dieser Vorstand von einem „Kuratorium“, dass zwar paritätisch zwischen Behörden- und Wirtschaftsvertretern besetzt ist, in dem jedoch die Wirtschaft ein „Vetorecht“ bekommt. „Das führt dazu, dass ganze Bildungsgänge auf Geheiß der Handelskammer sterben“, fürchtet Ingo Schlüter vom Hamburger DGB.
Schüler, Lehrer und Gewerkschaften finden allenfalls in einem „Beirat“ Erwähnung, der aber keine Machtbefugnisse hat. Auch auf der Ebene der Schulen, die künftig in größeren Zentren konzentriert werden sollen, hat die Wirtschaft doppelten Einfluss. Hier gibt es einen „Lenkungsausschuss“ in dem neben Arbeitgeber- und Arbeitnehmervertretern zusätzlich Wirtschaftsvertreter sitzen.
„Es gibt hier eine klare Interessenkollision zu Lasten der Demokratie“, kritisiert Teichmüller. Die Handelskammer habe die Aufgabe, die Interessen ihrer Mitglieder zu vertreten, „das sind nicht automatisch die des Staates“. SPD-Politikerin Britta Ernst fürchtet um die Allgemeinbildung der Berufsschüler. Deren Anspruch darauf sei im neuen Schulgesetz gerade erst gestrichen worden. Ernst: „Es ist auch Aufgabe des Staates, auf eine hohe Stundenzahl zu achten.“
Zwar hat laut Putz und Partner-Plan die Behördenseite im Kuratorium eine Stimme Mehrheit. Dies nützt jedoch nicht viel, wenn die Wirtschaftsseite ihr Veto einsetzt. Auch die Vereinigung der Hamburger Berufsschulleiter sieht wenig Nutzen in dem Stiftungsmodell. „Wir werden mit zwölf bis 20 Gremien in Kooperation treten müssen. Es gibt mehr Bürokratie, das Gegenteil von Autonomie“, sagte deren Vertreter Ralph Walper. Die Schulleiter hatten am Dienstag bei nur einer Enthaltung das Modell abgelehnt. Laut Walper werden sie jedoch in den geplanten Arbeitsgruppen zur Umsetzung mitarbeiten, um hier ihren Einfluss zu nutzen.
Putz und Partner hat einen Terminplan, danach sollen drei AGs bis Juni Details klären und im September der Deputation Bericht erstatten. Laut Behördensprecher Alexander Luckow würden viele Details der Stiftung noch diskutiert. So müsse es möglich sein, ein „Veto“ der Wirtschaft im Zweifelsfall wieder einzukassieren. Luckow: „Schule bleibt eine staatliche Aufgabe.“ Dem Bündnis ist jedoch schleierhaft, warum es überhaupt eine Stiftungsstruktur geben sollte. Teichmüller: „Es wird nicht mehr Ausbildungsplätze geben, nur weil jemand von der Handelskammer in der Stiftung sitzt.“
Das Bündnis fürchtet im Gegenteil einen weiteren Abbau vollschulischer Ausbildungsplätze. Damit dies nicht passiert, planen GEW und attac eine Volksinitiative zum Erhalt der staatlichen Aufsicht.