: Heiligkeit auf der Bremse
Wenige Wochen vor dem Ökumenischen Kirchentag verbietet der Papst den Katholiken das evangelische Abendmahl
von PHILIPP GESSLER
So liest man den Papst gern: „Und was soll man von den tausend Widersprüchen einer ‚globalisierten‘ Welt halten, in der die Schwächsten, die Kleinsten und die Ärmsten scheinbar wenig zu erhoffen haben?“ Karol Wojtyła! Der alte polnische Recke, standhaft gegen den Turbokapitalismus und Konsumwahn. Der Diktatoren zittern ließ und bei jeder Gelegenheit die Würde des Menschen betont. Der jüngst zur Ikone der weltweiten Friedensbewegung wurde, weil er früher und klarer als fast alle Politiker gegen den Irakkrieg protestierte.
Dieser Johannes Paul II. gedenkt in seiner neuesten Enzyklika „Ecclesia de Eucharistia“ der Opfer der „Globalisierung“ – und allen linken oder progressiven Katholiken geht das Herz auf … Wenn da nicht der Rest des päpstlichen Lehrschreibens wäre, das heute offiziell verkündet wird. Denn um die Schwächsten, die Kleinsten und die Ärmsten der Welt geht es nur am Rande. Das Hauptthema der Enzyklika des Ponitifex maximus ist ein innerkirchliches: Es geht um die Eucharistie, bei dem Katholiken in der Messe gesegnetes Brot essen und – seltener – Wein trinken. Rund eine Milliarde katholischer Gläubiger feiert es in Erinnerung an das letzte Abendmahl, das Jesus von Nazareth mit seinen Jüngern am Gründonnerstag vor seiner Kreuzigung einnahm.
Nun äußert sich der Papst zu vielem, auch in Enzykliken. In normalen Zeiten wäre ein solch offizielles Schreiben über die Eucharistie wohl eher etwas für Kirchenexperten oder Liturgiefreaks. Dieses Wort aber hat es in sich – und wurde gerade in Deutschland mit Spannung erwartet: Denn in wenigen Wochen, Ende Mai, Anfang Juni, wird ein kirchenhistorisches Ereignis gefeiert, der erste Ökumenische Kirchentag. Zu ihm werden über 150.000 Gläubige beider Volkskirchen in Berlin erwartet.
Gegen dieses Laien-, also Nichtpriester-Treffen der deutschen Katholiken und Protestanten hat der Papst nichts. Er schreibt sogar ein Grußwort. Und beten, diskutieren, feiern dürfen seine Schäfchen da – nur nicht zusammen mit Protestanten in Erinnerung an ihren Herrn Jesus das Brot brechen und essen, also zur Kommunion gehen. Das schreibt der Papst mit seiner Enzyklika allen Katholiken, überdeutlich: „Katholische Gläubige“, erklärt der Papst, sollten sich bei evangelischen Gottesdiensten „von der Teilnahme an einer Kommunion fernhalten, die in ihren Feiern ausgeteilt wird“. Warum? „Um nicht einer Zweideutigkeit über die Natur der Eucharistie Vorschub zu leisten.“
Protestanten und Katholiken verstehen zwar unter dem Abendmahl beziehungsweise der Eucharistie im Grundsatz theologisch das Gleiche – im Detail aber hakt es: Nach katholischer Lehre werden Brot und Wein bei der Segnung in der Eucharistie irgendwie verwandelt, in mystischer Art tatsächlich so etwas wie Leib und Blut Christi. Dies sagte ja Jesus der Überlieferung nach, und der Papst betont es in seiner Enzyklika. Protestanten dagegen sehen keine grundsätzliche Wandlung von Brot und Wein, betonen eher den Gemeinschaftscharakter der Abendmahlfeier.
Hinzu kommt: Bei Katholiken muss die Eucharistie von einem katholischen Priester vorgenommen worden sein, der über die Bischöfe in einer 2.000-jährigen Weihekette mit den Aposteln verbunden ist und den Papst als Oberhaupt der Kirche, als Nachfolger Petri, anerkennt. Diese „apostolische Sukzession“, so bekräftigt der Papst, gebe es bei Protestanten nicht. Wo keine Sukzession, da keine gültige Eucharistie. Der Papst setzt – offensichtlich mit Blick auf den Ökumenischen Kirchentag – noch einen drauf: „Ebenso wenig kann man daran denken, die sonntägliche Heilige Messe durch ökumenische Wortgottesdienste oder durch gemeinsame Gebetstreffen mit Christen zu ersetzen“, schreibt er. Konkret auf den Kirchentag in Berlin bezogen bedeutet das: Wer als Katholik am Sonntag, dem letzten Tag des Treffens, nicht zu einer Eucharistie geht, kann und sollte sich den großen Abschlussgottesdienst vor dem Reichstag schenken. Ein Affront. Gestern warnte auch noch Erzbischof Giovanni Lajolo, Vertreter des Vatikans in Deutschland, vor „wilder Ökumene“ auf dem Kirchentag.
Nun dürften die schlimmsten Ängste der Kirchentagsplaner wahr geworden sein. Sie hatten, um Rom zu besänftigen, im Voraus darauf verzichtet, ein gemeinsames Abendmahl zu feiern – obwohl sie dies am Anfang der Planungen für möglich und wünschenswert hielten. Doch solange dieser Papst lebt, werden sich diese Wünsche nicht erfüllen.