: Strikt pazifistisch
Ihren Ursprung hat die Ostermarschbewegung in der britischen Campaign for nuclear disarmament (CND), die 1958 von dem Philosophen Bertrand Russell und dem anglikanischen Domherren John Collins (St. Pauls Cathedral) ins Leben gerufen worden war.
Ostern 1958 veranstaltete die CND einen Marsch von London zum achtzig Kilometer entfernten britischen Atomwaffenlabor Aldermastons.
Den ersten deutschen Ostermarsch initiierte der Hamburger Lehrer Hans Konrad Tempel. Ziel im Jahre 1960: das Raketenübungsgelände Bergen-Hohne. Wie das britische Vorbild war er pazifistisch motiviert und richtete sich gegen die atomare Aufrüstung.
Von 1960 bis 1968 stieg die Zahl der Teilnehmer bei den Ostermärschen von tausend auf dreihunderttausend an. Mit den Jahren bildete der Ostermarsch den politischen Kristallisationspunkt für den Kampf um eine Aussöhnungs- und Entspannungspolitik mit den realsozialistischen Ländern des europäischen Ostens.
Die Ostermärsche prägten obendrein einen Typus basisdemokratischer Politikformen, der die politische Kultur veränderte und eine neue Form bürgerlicher Interessensvertretung vorbereitete. Die Entstehung von Bürgerinitiativen und der Außerparlamentarischen Opposition verdanken sich dieser neuen Politkultur mit.
Nur Einzelpersonen, keine Organisationen dürfen am Ostermarsch teilnehmen. Die notwendige Koordination wird von Ausschüssen übernommen, die nach basisdemokratischen Prinzipien funktionieren.
Der Kampf gegen die nukleare Bedrohung blieb das Hauptziel der Demonstranten, auch wenn später andere Ziele hinzutraten und zu Spannungen in der Bewegung führten.
Unter dem Eindruck der Notstandsgesetzgebung (1968), der Invasion sozialistischer Armeen in die ČSSR (1968), der Brandt/Scheel-Regierung (1969) sowie der Außerparlamentarischen Opposition (APO) spaltete sich die Ostermarschbewegung: aber auch, weil sie sich nie vom Einfluss DDR-höriger Kreise befreien konnte.
Die Ostermarschbewegung erlebt immer wieder Konjunkturen – wie 1982 zur Nato-Nachrüstungsdebatte. Seit kurzem setzt sie, auch in Abgrenzung zur rot-grünen Regierung, auf Bündnisse mit Gruppen wie Attac.
Zu den Hochzeiten der Ostermärsche demonstrierten bis zu siebenhunderttausend Menschen gegen jegliche nukleare Aufrüstung. Nach dem Ende des Kalten Krieges war sie für die meisten Menschen nicht mehr vorstellbar. Ende der Neunziger war vom Tod der Friedensbewegung die Rede.
Eine verfrühte Einschätzung: Die Regierung George W. Bushs und die Folgen des Terroranschlags vom 11. September 2001 haben der Friedens- und Ostermarschbewegung eine Renaissance beschert. Voriges Jahr richtete sich der Protest gegen das Bombardement Afghanistans und die deutsche Kriegsbeteiligung.
Dieses Jahr steht der nun schon (fast) beendete Irakkrieg auf der Tagesordnung. Weitere Infos (Termine) unter www.ostermarsch.de THOMAS THIEL