: Schlechtachten im Beraterland
Gutachteritis-Krach im niedersächsischen Landtag: CDU hält den Vorwurf der Gefälligkeiten und Seilschaften in der Zeit der Gabriel-Regierung aufrecht
Hannover taz ■ Gut- oder Schlechtachten? Gestern keilten sich im niedersächsischen Landtag wieder Regierung und Opposition wegen angeblich unnützer Beraterverträge aus Zeiten von Ministerpräsident Sigmar Gabriel (SPD). Natürlich habe es damals „Seilschaften“ gegeben, sagte Finanzminister Hartmut Möllring (CDU). Dahinter steckt der Vorwurf, dass die Consulting-Firma Roland Berger in Niedersachsen so viele Aufträge an Land gezogen habe, weil Berger Hannovers früheren Oberstadtdirektor Jobst Fiedler (SPD) angeworben hatte.
Fiedler habe sogar auf Spielräume im Etat hingewiesen, mit denen die Berger-Gutachten bezahlt werden konnten, betonte Möllring. Zudem habe es in einem Haushaltsgutachten geheißen, dass Berger für weitere Kenntnisse „4.500 Beraterstunden“ benötige. Pro Stunde hatte Berger dem Land Niedersachsen 2.100 Euro berechnet. Möllring kritisierte solche „Pfadfindergutachten“, mit denen Folgeverträge an Land gezogen werden sollen: „Wenn das nicht Akquise ist, dann weiß ich es nicht.“
Morgen will der Minister eine Liste mit angeblich knapp 90 Beraterverträgen aus SPD-Zeiten vorlegen, die bislang nicht veröffentlicht wurde. „Ich weise ihren Diffamierungsvorwurf zurück“, sagte Bernd Althusmann, Parlamentarischer Geschäftsführer der CDU, in Richtung SPD und Gabriel. Die CDU wolle mit ihren Gutachten-Vorwürfen „niemanden fertig machen. Das machen bekanntlich schon die Leute in ihren eigenen Reihen.“
Der niedersächsische Steuerzahler habe „ein Recht zu erfahren, warum die SPD in acht Regierungsjahren 28,6 Millionen Euro für Gutachten ausgegeben“ habe. Zudem sei es fragwürdig, ob Rechnungen nicht gestückelt worden seien, um die Ausschreibungsgrenze von 200.000 Euro zu unterlaufen.
„Warum verschweigen sie, dass auch die Regierung Wulff in einem Jahr sechs Millionen Euro für Gutachten ausgegeben hat?“, konterte SPD-Finanzexperte Dieter Möhrmann. Die CDU könne nicht belegen, dass die SPD Gefälligkeitsgutachten an Berger vergeben habe. Der ehemalige Ministerpräsident Gabriel giftete indes Althusmann an, er dürfe nicht weiter behaupten, ein Gutachten zu den Bezirksregierungen beauftragt zu haben, ohne von Berger dafür eine Gegenleistung erhalten zu haben. Inzwischen legte die SPD tatsächlich über 500 Berger-Seiten vor. „Das ist ein strafrechtlich relevanter Vorwurf. Wenn sich herausstellt, dass sie sich geirrt haben, müssen sie ihn zurücknehmen. Alles andere ist ehrenrührig“, donnerte Gabriel.
„Die Staatskanzlei sitzt immer noch auf Akten“ und blockiere so die Aufklärung im „Beraterland Niedersachsen“, kritisierte der Grüne Stefan Wenzel. Er forderte, künftig alle Beratertätigkeiten auszuschreiben und die Regierung zu verpflichten, dem Parlament darüber alle drei Monate Bericht zu erstatten. Zudem solle die Regierung stärker ihre Mitarbeiter heranziehen, statt Gutachten in Auftrag zu geben.
Kai Schöneberg