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Archiv-Artikel

Der Mann mit dem Fleischhelm

Schurken, die die Welt beherrschen wollen. Heute: Peter „der Spieß“ Struck

Das Hirn enger schnallen, den Kopf zusammenkneifen und durch

Zerstückelte Häuser; Brücken, die in die Knie gehen; Luft, die im Bombenhagel Blasen wirft: Das gefällt nicht jedem. Aber manchmal dient es einem guten Zweck. Kinder, denen ein Granatsplitter durch das eine Ohr rein- und zum anderen wieder rausgeht; Fliehende, die über ihre Eingeweide stolpern; Greise, die auf der Suche nach ihren Körperteilen mit einem Handwagen umherziehen: Auch das ist nicht jedermanns Sache. Doch für manche Leute gehört es zum Beruf – und in Deutschland führt er das Kommando über sie: Peter Struck.

Zwar war der stramme Parteisoldat nie beim Kommiss. Doch der Mann mit dem Fleischhelm, der sich 1964 freiwillig bei den Rotärschen meldete, den Jusos, und sich in der SPD hochdiente, verweigerte nie einen Befehl der Parteivorgesetzten, sondern tat stets seine pflichtverdammte Schuld und Struckigkeit. Das Hirn enger schnallen, den Kopf zusammenkneifen und durch: Mit dieser Scheißhausparole hielt er seit 1990 als Parlamentarischer Unterführer der Bundestags-SPD seine Truppe bei der Flagge und stauchte ihr von 1998 bis 2002 als Fraktionskommandant die Flötentöne rein. Ähnlich wie Herbert „der Schleifer“ Wehner verstand es Peter „der Spieß“ Struck, seine Mannen auf Kurs zu drillen, unsicheren Kantonisten an die Kandare zu treten und Quertreiber durch die Reichstagtoiletten robben zu lassen, bis ihnen die Suppe im Arsch brodelte.

Dass Peter Struck, der am 24. 1. 1943, mitten im Zweiten Weltkonflikt, in Göttingen zum Einsatz kam und seit 1980 für den Wahlkreis Celle-Uelzen im Bundestag Wache schiebt, in Fragen der Bundeswehr völlig beschlagen ist, bewies er schon 1993, als er die SPD-Parteitagsbeschlüsse gegen Kampfeinsätze der Bundeswehr als Meuterei verurteilte; 1998 und 2001 trimmte der Zuchtmeister seine Leute erfolgreich auf Vordermann, als Deutschland gegen die serbischen Taliban und die Stalinisten in Afghanistan ausrückte.

Als Herr über Leben und Tod sitzt ihm, der bereits als Pfeiferaucher Herzattacken und Blutgerinnseln ins weiße Auge sah und sich als Kradfahrer sämtliche Knochen zermalmte, das Militär wie angegossen. Kaum hatte OvD Schröder ihn zum Verteidigungsminister befördert und Struck die bei solchen Anlässen von der Traditionspflege der Bundeswehr vorgeschriebene Tapferkeitsprüfung bestanden (einen Kübel Schmieröl mit Zwiebeln, Spüli und Stubenkehricht auf ex), als er auch schon auf Dienstreise marschierte und die deutschen Divisionen auf dem Balkan und in der Hauptstadt von Kabul besuchte.

Jetzt zeigte sich, dass in dem harten Mann auch ein weicher Kerl steckt: Der Miesepeter und Griesgram mit der ansteckend schlechten Laune, der sauertöpfisch in die Fernsehlinsen raunzt, tut zwar viel böse-böse, ist aber in Wahrheit stolz auf „meine Jungs“. Er ist der Vater der Kompanie, bringt Kicker-Hefte mit, Spinde voller Bumsmädel für die einen, ein Schminktäschchen für die ganz anderen und lässt sich alles zeigen: besichtigt hier einen ausgebrannten Bus mit lauter Schwarzfahrern, schmunzelt dort über eine halb verweste Arschbacke, die in einem Ast hängt, und lacht jovial, wenn seine Helden erzählen, wie sie einem Kameradenschwein ein Vorhängeschloss um den Sack hängten und den Schlüssel wegwarfen. Da bleibt nicht nur kein Auge trocken.

Zurück an der Heimatfront, arbeitet Struck vom Morgenappell im Kanzleramt übers Essenfassen mit seinem Generalstab im Ministerium bis zum Zapfenstreich mit seiner Frau zu Hause an der Zukunft der Bundeswehr. Weltweite Krisenbewältigung, Konfliktverhütung und Krisenkonfliktverhütungsbewältigung, so lautet sein Tagesbefehl bis 2006. Schon zeichnet sich im Sandkasten der Barras von morgen ab, der Deutschlands Griff um den Globus herum ermöglichen soll: Die Landkarten von 1939 werden endlich ersetzt, weil sie nur bis zum Ural reichen, an die Stelle des bierpflichtigen Wehrlandsers tritt der hoch vergütete Berufssoldat, und es werden neue humanitäre Friedenswerkzeuge für den Auslandsdienst entwickelt, beispielsweise der einem Geigerzähler ähnliche „Nasenspitzendetektor“, der auf einfache Weise das Aufspüren von Terroristen ermöglicht und mit einer automatischen Feuervorrichtung ausgestattet ist, die auch für den Einsatz auf dicht belebten Marktplätzen ausreicht. Zugleich wird Munition einer neuen Generation entwickelt: Kitzelpatronen, die den Gegner zwingen, sich lachend am Boden zu wälzen, Traumakugeln, die aus einem wütenden Angreifer eine tüttelige Tunte machen, und Plastikgeschosse, die eine komplette feindliche Armee in Spielzeugfiguren verwandeln, die man seinen Kindern zur Friedenserziehung an Weihnachten schenken kann.

Alle diese Waffen sind nötig, um sie nie einzusetzen, das ist Commonsense auch im Kopf von Peter Struck. Und falls doch, so kann Deutschlands oberster Pazifist die Öffentlichkeit beruhigen, weil im Krieg bekanntlich niemand umgebracht wird. Soldaten sind schließlich keine Mörder. PETER KÖHLER