Ein durchaus bekannter Vorgang

Der Neue Leipziger Kunstverein stellt „sieben mal malerei“ vor. Und weil man im Museum der Bildenden Künste der frisch gekürten deutschen Olympiastadt doch ein wenig historisch werden möchte, flankieren die Arbeiten der Lehrer die der Schüler

von BRIGITTE WERNEBURG

Alles, so ist zu hören, ist schon restlos in den angelsächsischen Raum verkauft. Der Vorgang kommt bekannt vor. In Deutschland tritt eine Gruppe junger Männer an, malt wieder, malt figürlich – und vor allem amerikanische Sammler und Kunsthändler stürmen die Ateliers und Galerien. Auch Jean-Christophe Ammann, Eröffnungsredner zu „sieben mal malerei“ im Neuen Leipziger Kunstverein, erinnerte daran. Es ging dann mit den Neuen Wilden in den Achtzigerjahren bekanntlich nicht ganz so gut aus, wie es angefangen hatte. Vielleicht also sollte man vorsichtig sein mit dem Satz: „Es könnte historisch werden.“ Er stammt von Florian Illies, anlässlich der Ausstellung „deutsche malerei zweitausendunddrei“ im Frankfurter Kunstverein Anfang des Jahres. Im Spiegel hatte Illies Adorno und die Frankfurter Schule verabschiedet, um eine neue „Frankfurter Schule des Sehens“ auszurufen, um den Trend zur Malerei, den die Ausstellung dingfest machen wollte, gleich zum Manifest hochzuschreiben, das jede folgende Ausstellung junger Malerei gewissenmaßen unterzeichnet.

Doch ein wenig möchte man doch historisch werden in der frisch gekürten Olympiastadt Leipzig. Deutlich wird im Museum der Bildenden Künste die Fama der „Leipziger Malerschule“ mit der Parallelschau „In aller Freundschaft“ ins Spiel gebracht, die „sieben mal malerei“ um Arbeiten von Arno Rink, Sighard Gille, Neo Rauch und Wolfram Ebersbach ergänzt. Alle vier sind Absolventen der Hochschule für Grafik und Buchkunst in Leipzig und Schüler der dort in den Sechziger- und Siebzigerjahren lehrenden Realismusheroen Werner Tübke, Bernhard Heisig oder Wolfgang Mattheuer. Vor allem aber sind Rink, Gille, Rauch und Ebersbach die Lehrer jener zwischen 1971 und 1973 geborenen sieben jungen Maler, die in den Neunzigern hier studierten. Thilo Baumgärtel, Peter Busch, Tim Eitel, Martin Kobe, Christoph Ruckhäberle, David Schnell und Matthias Weischer werden als die berühmte dritte Generation repräsentiert, die einen international frisch gekürten Star wie Neo Rauch auch schon wieder zu entthronen droht.

Ganz glücklich scheint die Gruppe mit dieser Rolle nicht zu sein und betont daher ihre Entstehung im Jahr 2000 als Ausstellungsunternehmen außerhalb der Schule. Es nannte sich „Liga“ und entwickelte sich schließlich zum Projekt der gleichnamigen Produzentengalerie in Berlin-Mitte, zu der inzwischen weitere Künstler und Künstlerinnen gestoßen sind. Die Urzelle der Berliner Liga aber kehrt bis zum 15. Juni nach Leipzig zurück.

Die jungen Männer können es sich leisten, als Gruppe aufzutreten. Jeder verfügt über seinen eigenen, unterscheidbaren Stil und trägt ihn souverän vor. Allenfalls der Einfluss von Neo Rauch ist spürbar, etwa bei Thilo Baumgärtel oder David Schnell mit seinen fremdartigen Baukonstruktionen, die er in der freien Natur imaginiert. Was bei Rauch indessen nicht entschieden scheint, steht bei ihnen fest. Thilo Baumgärtels „Tafeln 1–9“ – eine Film-noir-Serie mit Motorbooten und einer Lady In The Lake, mit markantem Licht, das wie ein Filmspot gesetzt ist – oder Martin Kobes in schiere Geometrie tendierende Architekturcollagen beerben nicht den in kritischen, sozialistischen oder fantastischen Spielarten ergrauten Realismus vergangener Tage, sondern setzten auf die virtuellen Welten der Gegenwart.

Die zuletzt häufig aufgeworfene Frage allerdings, ob mit der neuen figürlichen Malerei nicht doch ein Backlash vorangetrieben werde, lässt sich damit noch nicht beantworten. Vermuten aber kann man, dass die proletarische Freude an der Wirklichkeitstreue dann doch ein grundlegendes Moment ist, das der alte Realismus mit dem virtuellen Zeitgeist, dem Schick von MTV wie auch der Punkästhethik teilt. Und dann fällt auf, dass die Malerinnen in Leipzig fehlen. Und mit ihnen schon ein Stück Zeitgenossenschaft.

Die Männer also halten sich an den Zeitgeist, an Zitat und Selbstreferenz. Auch Peter Busch mit seinen pastellfarbenen Landschaften, romantisch sfumato, die Menschen missen lassen. Denn mehr als am Alten orientiert er sich am verwischten, höchst zeitgenössischen Stil Peter Doigs. Ein wenig unbehaglich wird einem bei Christian Ruckhäberles Malerei über Malerei. Allzu virtuos liefert er viel zu viel Zitat, als dass man noch wüsste, in welcher Zeitschleife man hier nun, bei seinen Straßenszenen und Gruppenbildern, kreist.

Auch Tim Eitels Schnappschüssen entnommenes Personal, das er gerne in Galerien und Museen stellt, zitiert die Kunstgeschichte. Freilich aus einiger Distanz, die auch bemerkbar ist, wenn er Raum, Bild im Bild, Porträt und Figur in seine kühlen, kühnen, teils figurativen, teils abstrakten Szenerien überführt. Landschaft, das zeigt die Ausstellung, wird für ihn zunehmend ein Thema, in das er den Betrachter über seine porträthaft angelegten Leitfiguren einführt. Ganz im Innenraum bleibt dagegen Matthias Weischer. Dabei entpuppen sich seine Innenräume als wahre Dschungellandschaften – jedenfalls zum Teil.

Weischer ist der interessante Fall, der zwei Malstile zugleich elaboriert. Zum einen arbeitet er an penibel gemalten Interieurs, die in ihrem Detailreichtum zu bersten scheinen; Räume, die Weischer mit den berüchtigten Pseudo-Alchemia oder Pseudo-Memphis-Möbeln aus dem Domäne-Markt bestückt. Und dann malt er wundervoll karge Interieurs, ein „Seil“ oder einen gelblichbraun gestrichenen „Gang“, der beeindruckt, weil sich der Mut zur leeren Fläche großartig umsetzt in eine stupende Materialität der Malfläche, der Farbe und des Pinselstrichs. Perfekt, ungerührt und mit einigen Tupfern Ironie bringt hier Malerei die heute unseren Alltag beherrschende Ästhetik des Hässlichen ins Spiel.

Bis 15. Juni. Museum der Bildenden Künste, Leipzig. Katalog 16 €