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Archiv-Artikel

Unfassbar komisch

Die Pinguine aus Krefeld werden nach einer intensiven Finalserie mit den Kölner Haien tatsächlich deutscher Eishockey-Meister. So richtig glauben können sie dieses Wunder allerdings selbst nicht

aus Köln CHRISTIANE MITATSELIS

Mit versteinerter Miene und verschränkten Armen stand Hans Zach, Trainer des frisch gebackenen Eishockey-Vizemeisters Kölner Haie, auf dem Eis der Kölnarena. Neben ihm stützten sich seine Profis mit gebeugten Rücken auf ihre Schläger, und sie wirkten dabei wie sehr, sehr alte Männer. Die alten Männer starrten zu Boden, denn nur so mussten sich nicht mit ansehen, was sich in ein paar Meter Entfernung abspielte: Dort warfen sich sehr, sehr junge Männer aus dem benachbarten Krefeld aufeinander, kugelten sich auf dem Eis und überschütteten sich mit Champagner. Als Krefelds Kapitän Gary Shuchuk kurz darauf den DEL-Meisterpokal gen Arenen-Himmel hob und die offizielle Siegerehrung vorbei war, flohen die traurigen Kölner so schnell sie konnten vom Eis. Die mindestens 15.000 KEC-Anhänger unter den 18.600 Zuschauern in der ausverkauften Halle stimmten zwar noch laute „Haie-Haie“-Chöre an, doch den Besiegten war nicht nach Ehrenrunde zumute. Lieber verbarrikadierten sie sich in der Kabine.

Im fünften und entscheidenden Spiel der Finalserie um die deutsche Eishockey-Meisterschaft hatten die Krefeld Pinguine Vorjahressieger Köln mit 3:1 besiegt. KEV-Trainer Butch Goring, der die Pinguine erst im Dezember 2002 übernahm und zu ihrem größten Triumph seit dem Titelgewinn 1952 führte, wusste zunächst gar nicht genau, was er sagen sollte. Dann stimmte der 53-jährige Kanadier eine Lobeshymne auf „meine Jungs“ an: „Sie haben unglaublich viel Herz und Charakter gezeigt. Ich fühle mich sehr gut und bin stolz auf sie.“ Sein Kollege Zach, der als erster Kölner wieder sprechen konnte, befand: „Ich bin nicht enttäuscht, meine Mannschaft hat alles gegeben.“ Zach sah sehr enttäuscht aus, als er das sagte.

Beide Teams hatten eine dramatische Finalserie hinter sich, einen Wechsel von Stimmungen und Gefühlen. Tragischste Figur der Kölner war Angreifer Ron Pasco. Der Kanadier verlor im letzten Jahr die Meisterschaft als Mannheimer gegen den KEC. „Es ist sehr schlimm, ein Finale zu verlieren. So etwas will ich nie wieder erleben“, hatte er noch vor kurzem gesagt. Nach der Niederlage gegen Krefeld sagte Ron Pasco gar nichts mehr. Glücklichster Mensch der Welt war dagegen der 22 Jahre junge Krefelder Torhüter Robert Müller. In der Saison hatte er sich vom Ersatz- zum Stammkeeper hochgearbeitet. Nach dem Triumph sagte er mit ungläubigem Blick: „Es ist komisch, ich kann es nicht glauben, es ist unfassbar.“

Das Unfassbare sah so aus: Parvenu Krefeld, der wie im letzten Jahr Köln als Tabellen-Sechster in die Play-offs gestartet war, hatte überraschend die ersten beiden Final-Spiele gegen die favorisierten, aber durch eine Grippewelle geschwächten Kölner gewonnen. Doch die scheinbar besiegte Zach-Truppe fand wieder zu sich und meldete sich mit zwei Siegen zurück. Beeindruckend war vor allem die Leistung der Kölner am letzten Samstag im vierten Spiel in der Krefelder Rheinland-Halle. Der KEC glich einem 0:2-Rückstand aus und siegte nach 35 Sekunden durch ein Unterzahltor von Kapitän Mirko Lüdemann im „sudden death“. Viele glaubten, Krefeld würde einen solchen Rückschlag nicht verkraften und Köln sei nun im psychologischen Vorteil und deshalb der sichere Meister.

Im Showdown am Ostermontag merkte man aber schnell, dass es ein ausgeglichener Kampf werden würde. Coach Goring, der als Spieler viermal den Stanley-Cup in der NHL gewann, machte eher vage Angaben darüber, wie er es geschafft hatte, sein Team noch einmal zu motivieren: „Ich habe ihnen gesagt, dass man drei Spiele gewinnen muss, um Meister zu werden.“ Das wussten wohl auch die Kölner. Beide Teams litten aber zunächst gleichermaßen unter der Spielleitung des übermotivierten Schiedsrichters Gerhard Müller, der eine Zeitstrafe nach der anderen verhängte. In der siebten Minute traf es die Kölner besonders hart, als der Referee KEC- Top-Stürmer Dave McLlwain wegen eines eher harmlosen Stockstichs eine Spieldauer-Disziplinarstrafe verpasste. Der Kanadier musste vom Eis – noch so eine tragische Geschichte. Im letzten Jahr, bei der Kölner Meisterschaft, hatte er wegen einer Verletzung gefehlt.