: „Das soll keine neue Kampfarena sein“
Heute tagt erstmals die Enquetekommission „Eine Zukunft für Berlin“. Sie soll Wege aus der Finanzmisereaufzeigen. Den Vorsitz hat Grünen-Fraktionschefin Sibyll Klotz. Sie hofft auf parteiübergreifende Zusammenarbeit
taz: Frau Klotz, sauer, dass der Untersuchungsausschuss zum Tempodrom den Start der Enquetekommission heute etwas in den Hintergrund drängt?
Sibyll Klotz: Nein, überhaupt nicht. Denn auch unsere besten Vorschläge können Berlin nur voranbringen, wenn ein anderes Problem gelöst wird: der Abschied von der alten Subventions- und Filzmentalität. Insofern sind Untersuchungsausschuss und Aufklärung der Vorgänge ums Tempodrom keine Konkurrenz, sondern Voraussetzung für eine erfolgreiche Arbeit der Kommission und die Zukunftsfähigkeit Berlins.
Auch wenn SPD und PDS letztlich für die Kommission stimmten: Anfangs haben beide ziemlich klar blicken lassen, dass sie darin eine überflüssige Laberbude sehen. Wie lässt sich auf dieser Basis arbeiten?
Ich glaube, dass wir mittlerweile weiter sind. Alle Fraktionen sind sich einig, dass die Kommission weder eine neue Kampfarena zur Interpretation des Verfassungsgerichtsurteils noch Ort parteipolitischer Polemik sein soll.
Fraktionsübergreifend nach einer Zukunft für Berlin suchen ist ja ein hehres Ziel. Können Sie selbst denn Stein und Bein schwören, dass Sie die Kommission nicht nutzen, um Rot-Rot an den Karren zu fahren?
Ich kann gerne auch noch auf etwas anderes schwören, wenn Sie das möchten. Und ich habe den Eindruck, dass auch alle anderen dieses Gremium nicht parteipolitisch instrumentalisieren werden – natürlich bei Wahrung unterschiedlicher Sichtweisen.
Das ist ja nicht die erste Enquetekommission, und auch die anderen wollten gewiss nicht, dass ihre Ergebnisse nur ein dicken Buch füllen. Warum soll das dieses Mal anders sein?
Es ist richtig, es ist schon die zweite Enquetekommission, die „Zukunft“ im Titel trägt …
… bei der anderen ging es um Nachhaltigkeit in Berlin …
… und die hat tatsächlich wenig Widerhall gefunden – in der Öffentlichkeit wie in der Politik.
Auch da war ein Grüner Vorsitzender …
… und anschließend ein SPD-Mann. Am Grünen-Parteibuch kann es also nicht liegen.
Deshalb die Frage: Warum soll das nun anders sein?
Weil uns die ganze Situation uns zum Erfolg verdonnert: das Urteil des Landesverfassungsgerichts zum Berliner Haushalt, die Klage beim Bundesverfassunggsericht. Wir werden Möglichkeiten, Chancen, Szenarien eines zukunftstauglichen Wirtschafts- und Finanzkonzeptes aufzeigen – mit Hilfe von renommierten Expertinnen und Experten. Die Kommission muss auch Impulsgeberin für ein öffentliche Debatte über die Zukunft Berlins sein. Es darf kein abgeschottetes Gremium werden.
Werden Sie dazu Rot-Rot immer die Alternative vor Augen halten: Entweder ihr setzt die Ergebnisse um, oder wir klagen gegen den Haushalt?
Auch bei Rot-Rot gibt es Dissens zu den Konsequenzen des Verfassungsgerichtsurteils und deshalb Bereitschaft, Ideen aufzunehmen. Deshalb sehe ich keine Veranlassung zu Drohgebärden.
Auch ihr Fraktionskollege Jochen Esser, ein Haushälter, wäre gern Kommissionschef geworden, für die CDU hätte das Fraktionschef Zimmer gemacht, ebenfalls Finanzexperte. Fehlt Ihnen als Arbeitsmarkt- und Frauenpolitikerin nicht die Fachkompetenz?
Sie sind ja auch kein Finanzexperte und berichten doch auch über die Kommission. Jochen Esser ist an Bord, wir machen das zu zweit und werden uns wie sonst auch gut aufeinander abstimmen. Im Übrigen: Wenn er Vorsitzender hätte sein wollen, dann wäre er es auch. Und außerdem: Die Kommission ist kein auf Haushaltsfragen beschränkter Hauptausschuss. Sie wird Vorschläge für die wirtschaftlichen Perspektiven machen, aber sie wird sich nicht auf die Finanzpolitik reduzieren. Sonst hätten wir sie nicht einzurichten brauchen.
INTERVIEW: STEFAN ALBERTI