: off-kino Filme aus dem Archiv –frisch gesichtet
Die großen „alten“ Stars des britischen Kinos in einer unspektakulären Alltagsgeschichte nach einem preisgekrönten Roman von Graham Swift: Die Freunde Ray (Bob Hoskins), Lenny (David Hemmings) und Vic (Tom Courtenay) treffen sich mit dem Adoptivsohn (Ray Winstone) ihres verstorbenen Freundes Jack (Michael Caine), um den letzten Willen des Verblichenen auszuführen und seine Asche bei Margate ins Meer zu streuen. Die von allerlei Umwegen geprägte Fahrt an die See dient als Auslöser für Erinnerungen an den jovialen Metzger Jack, vor allem aber an ihr eigenes Leben: In „Letzte Runde“ entfalten sich teils dramatische, teils humorvolle und stets sehr menschliche Geschichten von kleinen Geschäften und großen Schulden, Rebellionen gegen den vorgezeichneten Weg in der unteren Mittelschicht, stillen Lieben und vorsichtigen Abenteuern.
Weil Regisseur Fred Schepisi die Struktur des Romans getreu auf seinen Film übertragen hat, springt die Geschichte in einer Vielzahl verschachtelter Rückblenden auf unterschiedliche Zeitebenen zurück, die gelegentlich bis zu den Jugendjahren der Protagonisten zurückreichen und mit anderen Schauspielern etwas weniger überzeugend gestaltet werden – die Farben und die Rückprojektionen bei den Kriegserinnerungen an Nordafrika wirken schon ein wenig befremdlich. Doch das sind eher kleine Schönheitsfehler dieser angemessenen Literaturverfilmung: Das hervorragende Gegenwartsensemble trägt die „Letzte Runde“ auch über die letzten Runden.
„Letzte Runde“ 24. 4.–25. 4. im Filmkunsthaus Babylon
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Eine Reise zur Selbsterkenntnis in anderthalb Stunden: So lange muss die junge Sängerin Cléo (Corinne Marchand) in „Mittwoch zwischen 5 und 7“ nämlich warten, bis sie das Ergebnis einer Gewebeuntersuchung erfährt und Gewissheit bekommt, ob sie an Krebs erkrankt ist oder nicht. Die Tätigkeiten ihrer Heldin während dieser Zeitspanne verfolgt Regisseurin Agnès Varda praktisch in Realzeit: Cléo besucht eine Wahrsagerin und arbeitet mit ihrem Komponisten (Michel Legrand), sie sieht einen Slapstickfilm (mit Jean-Luc Godard, Anna Karina und Eddie Constantine) und macht einen Spaziergang im Park, ehe sie schließlich die Diagnose des Arztes im Hospital erfährt.
Die Angst vor der Krankheit und dem Tod verändert langsam den Blick der kapriziösen jungen Frau auf ihr Leben: die eigene Schönheit, der Luxus (sie kauft im Sommer einen Pelzhut), der reiche Liebhaber sowie die Musiker, die sie nicht ernst nehmen – all dies scheint nicht mehr sonderlich wichtig, denn überall glaubt die abergläubische Cléo Zeichen und Symbole des Todes zu entdecken. Erst ein junger Soldat (Antoine Bourseiller), der am nächsten Tag zum Militärdienst nach Algerien abreisen muss, vermittelt ihr schließlich einen nüchterneren Blick auf die Welt. Das Ablegen ihrer Verkleidungen und Schutzschichten macht Cléo zwar verletzlicher, aber auch menschlicher.
Wie so viele Filme aus dem Umkreis der frühen „Nouvelle Vague“ präsentiert sich auch „Mittwoch zwischen 5 und 7“ als kleines Roadmovie in Paris (wenngleich Varda stets behauptete, sie könne die Stadt nicht leiden): Cléos kleine Reise beschreibt in der Geografie von Paris vom Café in der Rue de Rivoli bis zum Krankenhaus am Boulevard de L’Hopital einen Halbkreis, mit dem Parc de Montsouris, dem Ort des Zusammentreffens mit dem Soldaten Antoine, im Scheitelpunkt.
„Cléo de 5 à 7“ (Mittwoch zwischen 5 und 7) (Om engl. U) 27. 4., 29. 4. im Arsenal 1
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„Wir drehen die Szene erst, wenn ihr eine Katze gefunden habt, die spielen kann!“ Tja, die Mieze will halt nicht vor der Kamera trinken, einer der Hauptdarsteller verunglückt tödlich mit dem Auto, seine Partnerin vergisst dauernd den Text und landet alkoholbenebelt im Wandschrank, und Jean-Pierre Léaud ist unglücklich verliebt in Jacqueline Bisset, die derweil neurotisch herumzickt: Es läuft nicht gerade alles glatt beim Film in „Die amerikanische Nacht“ von François Truffaut, der auch gleich noch den Regisseur Ferrand mimt, den alle Welt ständig mit Fragen und Problemen aller Art plagt.
Doch trotz aller Schwierigkeiten gehen die fiktiven Dreharbeiten scheinbar mühelos voran: „Die amerikanische Nacht“ wirkt auf wunderbare Weise leicht und märchenhaft.
„Die amerikanische Nacht“ 24. 4.–30. 4. in den Tilsiter Lichtspielen
LARS PENNING