Die Tiefe des Obstes

Was theoretische Physiker treiben: Von faltigen Früchtchen und weiblicher Kosmetik

Bei Frauen faltet sich die Haut, wohingegen sie sich bei Männern lediglich ausbeult

Die Vorstellungen, an was genau theoretische Physiker so herumforschen, ist oft von vielen Vorurteilen geprägt. Schon allein der Begriff Kernphysik treibt so manchen Menschen, gerade in diesen Kriegszeiten, die Tränen in die Augen. Dabei sind die Taten J. R. Oppenheimers sicher Extremfälle, denn Physiker sind eigentlich Wesen, denen es gelang, ihren Spieltrieb bis ins hohe Erwachsenenalter beizubehalten. Dies zeigt auch das Beispiel einer universell anwendbaren Faltentheorie, die zwei Theoretiker aus Cambridge und Santiago de Chile kürzlich in den Physical Review Letters publizierten.

Wieder einmal begann es mit Obst, wie schon damals, als Isaac Newton unter einem Apfelbaum lag und wahrscheinlich von glattgesichtigen Frauen träumte. Als irgendwann ein Apfel senkrecht vom Baum fiel, begann er, so die Legende, über Gravitationskräfte und den Zusammenhalt der Welt nachzudenken. Mit beachtlichem Erfolg, denn diese Ideen revolutionierten schließlich die Wissenschaft. Plötzlich drehte sich die Erde um die Sonne und stürzte damit das katholische Weltbild um. Zu allem Überdruss wurde deswegen später Galileo Galilei in den Kerker geworfen, in dem er selbst im März 1982 noch saß, als ihn derselbe Papst rehabilitierte, der sogar auf seine alten Tage noch mit Joseph Fischer herumfriedelte.

Verschrumpelte Äpfel und deren Faltenwurf auf der Schale waren jetzt der Anlass für Fragen. Das Phänomen ist bekannt. Ein alter, lange gelagerter Apfel schrumpelt, seine Schale wirft hässliche Falten und eignet sich kaum noch als Modell für ein Stillleben. Die physikalische Idee, das Schrumpeln mathematisch zu beschreiben, ist bestechend einfach: Das Fruchtfleisch trocknet etwas aus und verliert dadurch seine elastischen Eigenschaften. Die Apfelschale, die an das Fruchtfleisch festgeheftet ist, kann diesen veränderten Verhältnissen nur durch den charakteristischen Faltenwurf folgen. Tatsächlich lässt sich all dies in Formeln fassen, und die dabei entwickelte Theorie sagt den Faltenabstand und die Faltentiefe erstaunlich gut vorher.

Das Bestechende an diesen Ergebnissen ist allerdings, dass sie auf viele verschiedene Faltenbildungen in der Natur anwendbar ist. Also auch Lachfalten, Krähenfüße und ähnliche kosmetische Probleme. Der Abstand zweier Falten lässt sich dieser Theorie zufolge als die vierte Wurzel des Bruchs von Straffheit der Haut (Gesicht) oder Schale (Apfel) und der Elastizität des darunterliegenden Fleisches (Gesicht und Apfel) berechnen. Eine weitere mathematische Beziehung wurde von den beiden Theoretikern für die Faltentiefe angegeben, die für viele Zeitgenossen ein augenfälliges Problem darstellt.

So funktioniert also auch Orangenhaut oder Zellulitis. Leider nur bei Frauen. Denn leider sind die Gewebs- und Hautschichten der Damen nicht permanent vernetzt. So verändern sich im Laufe der Jahre die unteren Schichten, sie werden schlaffer, wie ein altes Stück Gummi, dessen Vernetzungen sich lösen. Anders bei Männern. Aufgrund des Bindegewebe-Aufbaus bleibt – im Idealfall – der Knackarsch länger erhalten. Dies kann, siehe die oben zitierte Theorie, direkt beobachtet werden, wenn die Haut mit zwei Fingern bei Frauen und/oder Männern zusammengedrückt wird. Bei Frauen faltet sich die Haut, wohingegen sie sich bei Männern lediglich ausbeult, sprich deren Elastizität so hoch ist, dass keine Faltenbildung möglich ist.

Eine erste logische Konsequenz dieser Theorie ist sicherlich, dass die aufzutragende Menge an Make-up und dergleichen genauer berechnet werden kann. Ob diese Studie wie Newtons Überlegungen weltverändernde Schlüsse erlaubt, bleibt allerdings abzuwarten. Zweifel sind angebracht. THOMAS VILGIS