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Archiv-Artikel

Thronfolger steht bereit

Georg Späth etabliert sich weiter als Nummer eins im Team der deutschen Skispringer und gewinnt überlegen das erste Springen bei der Skiflug-Weltmeisterschaft. Titelverteidiger Hannawald wird 17.

AUS PLANICA KATHRIN ZEILMANN

Als Georg Späth vor einigen Tagen ins „Tal der Schanzen“ in Slowenien einfuhr, betrachtete er einen Moment lang die gewaltige Skiflug-Schanze, auf der es seit gestern um den Titel des Skiflug-Weltmeisters geht. „Ja, schon großartig“, sagt er. Mehr nicht, denn große Worte sind seine Sache eigentlich nicht.

Große Sprünge schon eher. Mit Sätzen von 203,5 und 225 Metern gewann der 22-Jährige souverän das erste WM-Springen vor den Finnen Tami Kiuru (197,5/218,5) und Janne Ahonen (190/225). „Der zweite Flug war nahezu perfekt. Nachdem ich den Absprung toll getroffen habe, hatte ich nur einen Gedanken: Jetzt musst du dich voll reinhängen und alles riskieren“, freute sich der Allgäuer, der heute beste Chancen hat, die Nachfolge von Sven Hannawald als Weltmeister anzutreten. Der Titelverteidiger ist nach Sprüngen von 176 und 197,5 m als 17. der ersten Runde bereits chancenlos. Teamkollege Martin Schmitt verpasste sogar den zweiten Durchgang.

Seine Reise nach Planica hatte Späth als bester Deutscher in den derzeitigen Ranglisten angetreten. Und wäre nicht die offen zur Schau gestellte Leidenszeit des Sven Hannawald ein in der Öffentlichkeit oft behandeltes Thema dieser Tage – Georg Späth dürfte sich spätestens nach Platz zwei in Willingen am vergangenen Wochenende im Licht seines Erfolges sonnen. Aber Späth ist über diese Konstellation – geredet wurde erst über Hannawalds Absturz, dann über Späths Erfolg – nicht allzu unglücklich, schließlich kann er eine gewisse Schüchternheit und Zurückhaltung in seinem Wesen nicht vollends ablegen, auch wenn er ausgelassen über seine vorderen Platzierungen jubelt. Dass er nach seinem dritten Platz beim Neujahrsspringen in Garmisch-Partenkirchen zu TV-Auftritten geladen wurde, vermehrt Fanpost im heimischen Oberstdorf eintraf und Eltern, Verwandte, Bekannte, ach was: das ganze Allgäu, mächtig stolz waren, hat ihn natürlich gefreut: „War dann doch alles sehr schön“, sagt er und lächelt. Schön könnte es nun erst recht in Planica werden, schließlich hat er beim Skiflug-Weltcup in Oberstdorf vor zwei Wochen als Vierter schon unter Beweis gestellt, wie gut er auch auf den riesigen Schanzen ist.

Georg Späth galt lange als Mitläufer im Team: Er fiel nicht groß auf, war auf Plätze zwischen 15 und 20 abonniert. Vielleicht wäre er das auch geblieben, wäre die Ära Reinhard Heß/Wolfgang Steiert nicht zu Ende gegangen. Jetzt heißt das Trainerduo Steiert/Peter Rohwein, und der 22-Jährige befreite sich aus dem Mittelmaß. „Mir hat doch irgendwie niemand so was zugetraut“, hatte er am Neujahrstag in Garmisch-Partenkirchen noch bemerkt und schien dabei von sich selbst überrascht.

„Georg war am Anfang sehr schüchtern, fast duckmäuserisch“, sagt Peter Rohwein, der seit Mai als Assistenztrainer von Steiert im Skisprung-Team mitarbeitet. „Der Peter hat mir unglaublich geholfen“, meint Späth. Weil sich Rohwein für jeden Springer Zeit nehme, für jeden gleichermaßen da sei und Einfühlungsvermögen besitze. Georg Späth hat dieses Angebot angenommen, hat sich unter der intensiven Betreuung Rohweins zum Spitzenspringer entwickelt. Dazu kam das von Steiert erarbeitete Sommertraining mit Schwerpunkt Kondition. Späth sagt: „Das hat viel gebracht. So eine Saison schlaucht, aber wir haben die richtigen Grundlagen.“ Damit widerspricht er Hannawald, der die sommerlichen Übungseinheiten jüngst als „sportartspezifisch nicht so toll“ kritisiert hat. Immerhin wird deutlich: Späth profitiert vom Trainerduo Steiert/Rohwein, während Hannawald sich von dieser Konstellation wohl viel mehr versprochen hat.

Späth demonstriert gerne Bescheidenheit, nannte es vorher „vermessen“, eine Einzelmedaille in Planica zu erwarten. „Dafür wäre es wohl ein wenig früh.“ Das klingt, als habe er in seiner Laufbahn noch einiges vor. „Körperlich hat er eigentlich die besten Voraussetzungen, nämlich optimale Hebelverhältnisse. Und seine Technik stimmt auch“, erklärt Andreas Bauer, der Sprungtrainer der Kombinierer, der Späth aus vielen gemeinsamen Jahren am Stützpunkt Oberstdorf kennt.

Späth selbst weiß, dass aus Senkrechtstartern im nächsten Winter wieder Mitläufer oder gar Hinterherhinkende werden können. „Ich will mich weiter auf den Sport konzentrieren, im Sommer die Grundlagen trainieren und die Technik optimieren“, erläutert er seine Ziele. Dann spricht er aber doch noch von Vorhaben, die ein wenig großartiger und ehrgeiziger klingen als ein Ausblick auf das Saisonvorbereitungs-Training: „Die WM nächstes Jahr ist in meinem Heimatort Oberstdorf. Das ist mein Traum, da zu starten und eine Medaille zu gewinnen. Und ein Jahr drauf ist Olympia.“