: Die kleine Höllenflamme: Saddams Zippo
Unter schier unglaublichen Umständen gelangte das Feuerzeug des irakischen Altdiktators in die Hände der Wahrheit
Udai Hussein mag Feuerzeuge. Voller Stolz zeigte der Sohn Saddams gelegentlich im Palast seine Dupont-Sammlung. Bei jedem Besuch blickte Tarik Asis, der alte Schlawiner und Außenminister, neidvoll und wehmütig auf die goldenen oder mit echtem Chinalack überzogenen Exponate in der Vitrine. Was Asis nicht wusste: Um sich nicht dem Spott des Vaters oder schlimmerem auszusetzen, sammelte Udai die Modelle des französischen Nobelherstellers nur zum Schein. Seine wahre Liebe galt seit jeher den Benzinkochern der amerikanischen Marke Zippo. „Die brennen auch mit Panzerbenzin“, erklärte Udai einmal Mohammed Said al-Sahhaf, dem irakischen Informationsminister, „damit kannst du Ungläubige im Höllenfeuer brutzeln.“ Nur al-Sahhaf wusste von Udais Neigung zu den verchromten Zippos. Und er wusste auch schon, wie das amerikanische Produkt die Gnade des Herrschers finden und nebenbei noch ein wenig Geld bringen könnte.
Es war ein schiitischer Graveur aus Basra, ein alter Mann namens Jussuf, der mit dem Entwurf betraut wurde. Mit geschickten Händen ziselierte er das Porträt des Herrschers auf die hart verchromte Messinghülle des Zippo. Erfahren im Umgang mit dem Stichel entging ihm kein Detail. Den Klappdeckel verzierte er mit dem Schriftzug „make love not war“ – schließlich sollten die Feuerzeuge als Souvenirs an die Friedenstouristen verhökert werden, die zu jener Zeit massenhaft über den Irak herfielen. Doch plötzlich kam alles ganz anders. Amerikaner und Briten rollten mit „Shock and Awe“ über das Land, machten es platt – und das Zippo ging nie in Serie. Udai Hussein, der das Original seinem Vater schenken wollte und den Prototyp deshalb in einem Safe im Palast der Republik deponiert hatte, war entsetzt: der „Erlkönig“ war verschwunden. War das Feuerzeug verschüttet, geraubt, geplündert worden?
Es war verdammt heiß in Damaskus, als der Wahrheit-Reporter in der Hotelbar seinen Pfefferminztee schlürfte. Plötzlich stürzte ein Araber im weißen Kaftan auf ihn zu. Ein irakischer Diplomat? Ein Kollege von al-Dschasira? „Hier nimm!“, raunte der Mann, der dem irakischen Informationsminister sehr ähnlich sah: „Schnell, sie sind hinter mir her.“ Vorsichtig nach allen Seiten blickend, schob er dem Reporter ein kleines, schwarzes Kästchen zu. Verdutzt verstaute es dieser in der Jackentasche. Als er aufblickte, sah er den Kaftan gerade noch hinter einer Säule verschwinden. Vorsichtig öffnete der Reporter das Kästchen. Geblendet vom blitzenden Chrom brauchte er eine Weile, bis er Saddams Gesicht erkannte. Der Diktator auf einem nigelnagelneuen Zippo.
Wie praktisch: Zwei Jahre ist es her, da geriet das alte Redaktionsfeuerzeug der Wahrheit, ein goldverchromter Hirsch, bei einer Spendenaktion unter den eBay-Hammer. Es funktionierte tadellos, und alle waren froh, dass ein treuer Wahrheit-Leser es ersteigerte. Doch zwei Jahre ohne Feuer sind genug – das Saddam-Zippo ist ein würdiger Ersatz. Saddams Gnade und seine Liebesbotschaft werden der Wahrheit für immer Vorbild und Ansporn sein. DIETER GRÖNLING