17 Jahre danach

Einen Test der Turbogeneratoren wollten die Ingenieure des AKW Tschernobyl in der Nacht zum 26. April 1986 am Reaktorblock 4 durchführen. Als der Test außer Kontrolle geriet, erhitzte sich der Block innerhalb von Sekunden und explodierte um 1.24 Uhr. Zweihundert verschiedene radioaktive Stoffe wurden in die Atmosphäre geschleudert, ein dreitausend Grad Celsius heißes Feuer brach aus.

Einige aus dem Reaktor geschleuderte Grafitstücke strahlten so stark, dass nach einer Minute die für ein ganzes Menschenleben als tolerierbar eingeschätzte Strahlendosis erreicht war. Winde wehten den radioaktiven Fallout zu siebzig Prozent ins heutige Weißrussland, die radioaktive Wolke zog dreimal um den Erdball.

Die sowjetische Führung versuchte lange, die Katastrophe zu verheimlichen. Erst an den folgenden Tagen wurden 135.000 Menschen aus der unmittelbaren Umgebung evakuiert (www.un.kiev.ua/en/chornobyl).

Ende 1986 wurde trotz internationaler Proteste der Betrieb der Blöcke 1 und 2 wieder aufgenommen, erst vor zwei Jahren wurde das AKW endgültig stillgelegt. Unter www.cherno byl.info findet man Informationen über Entscheidungsträger, Hilfsorganisationen und Opfer der Katastrophe.

Laut dem UNO-Bericht (www.un.org/ha/chernobyl/report.pdf) leiden heute noch sieben Millionen Menschen unter den gesundheitlichen und sozialen Folgen der Katastrophe. In den kommenden Jahren dürfte die Zahl der an Schilddrüsenkrebs Erkrankten auf bis zu zehntausend ansteigen.

Nach Angaben des Vereins „Leben nach Tschernobyl“ (www.leben-nach-tschernobyl-ev.de) hat sich der Gesundheitszustand weiter Teile der weißrussischen Bevölkerung erheblich verschlechtert, nur jedes fünfte Kind gilt demnach heute als vollständig gesund. Knapp 450 alte Leute sind trotz des Verbots in die Sperrzone zurückgekehrt, um nicht an einem fremden Ort sterben zu müssen.

Die Arbeiter in der Zone haben unter anderem die Aufgabe, die im Sommer ausbrechenden Waldbrände zu löschen, damit keine strahlenden Rußpartikel verweht werden. Die Ukraine gibt jährlich zirka zwölf Prozent ihres Haushalts für die Folgekosten des Reaktorunglücks aus. Der neue Sarkophag wird hauptsächlich mit internationalen Hilfsgeldern finanziert.

Nach Angaben der Chronobylinterinform Agency wurden bisher zehntausend Wissenschaftler, Politiker und Journalisten in die Sperrzone geführt. Schwangeren und Minderjährigen ist der Zutritt untersagt.

Das ukrainische Reisebüro Sam bietet Tagesausflüge in die Zone an: www.sam.com.ua. Für zwei Besucher verbilligt sich der Preis auf 105 Dollar pro Person, für drei auf 95 Dollar. Die Tour umfasst eine Einführung, einen Ausblick auf das AKW, einen Rundgang durch Pribjat und ein Mittagessen („Die Qualität des Essens wird garantiert“).

Die „Agency“ gibt an: „Die Partikel an Autos, Kleidern und Schuhen derjenigen, die die Zone nach einem Arbeitseinsatz oder einem Besuch verlassen, machen heute rund neunzig Prozent der aus dem Sperrgebiet austretenden Radioaktivität aus.“ Für das Projekt Umwelttourismus spricht das nicht gerade. FLORIAN HARMS