heute in bremen : Der Grund für das System
Ein Philosoph erklärt, warum die Demokratie gegen ihre Feinde verteidigt werden sollte
Wozu braucht die Demokratie den Rat des Philosophen?
Stefan Gosepath, Philosophie-Professor: Um zu begründen, warum es sie überhaupt geben soll.
Wissen die Bürger das nicht von allein?
Intuitiv wissen wir es wohl schon. Wenn wir es aber erklären sollen, dann haben wir womöglich keine ausreichende Begründung dafür.
Das klingt riskant, wenn es denn stimmt.
Man hat es bei der sozialen Marktwirtschaft gesehen. Als diese vom Neoliberalismus unter Druck gesetzt wurde, konnte sie in der Gesellschaft nicht genug argumentative Ressourcen zu ihrer Verteidigung mobilisieren. Und so könnte schlimmstenfalls auch die Demokratie unter einem Ansturm antidemokratischer Kräfte zusammenbrechen.
Was könnten diese denn gegen die Demokratie vorbringen?
Zum Beispiel, dass das häufigste Argument für die Demokratie, die politische Selbstbestimmung, gar nicht zutrifft. Minderheiten nämlich müssen sich in der Regel der Mehrheit beugen. Wer die Demokratie verteidigen will, muss also begründen, warum sie dies tun sollten.
Und zwar?
Weil alle, also auch die Angehörigen einer Minderheit, die gleiche Chance haben, an der Machtausübung teilzunehmen.
In der Praxis nicht...
Das ist wahr. Deswegen muss sichergestellt sein, dass alle nicht nur wählen, sondern auch aktiv am politischen Prozess teilnehmen können. Und das ist ohne einen gewissen Zugang zu Bildung und ökonomischen Ressourcen nicht zu haben.
Interview: Christian Jakob
20 Uhr, Haus der Bürgerschaft