: SPD diskutiert Steuer auf Konsum
Nach dem Gipfel in Hannover geht die Sozialdebatte munter weiter. Aus der Fraktion kommen Vorschläge für eine höhere Mehrwertsteuer, und der Niedersachse Gabriel kündigt einen Parteitagsantrag an. Juso-Chef Annen fordert Clements Rücktritt
aus Berlin ULRIKE HERRMANN
In der SPD herrscht weiter Konfusion. Klar ist nur, dass Kanzler Schröder klar gemacht hat: Er hält an seiner „Reformagenda 2010“ fest. Allenfalls über „Details“ könne man reden – diese Standardformulierung gilt weiter, auch nachdem sich Generalsekretär Olaf Scholz und Fraktionschef Franz Müntefering mit Schröder am Donnerstagabend in Hannover getroffen haben.
Damit ist Niedersachsens Fraktionschef Sigmar Gabriel nicht zufrieden. Er kündigte an, zusammen mit dem SPD-Bezirk Braunschweig einen eigenen Antrag auf dem Sonderparteitag am 1. Juni einzubringen. Kernforderungen: Man will Besserverdienenden das Kindergeld streichen und die Vermögensteuer wieder einführen.
Unzufrieden ist auch das „Netzwerk Berlin“, das pragmatische und eher jüngere SPD-Abgeordnete vereint. Ihr Sprecher Hans-Peter Bartels wirft Schröder vor, dass das „spezifisch Sozialdemokratische“ nicht deutlich werde an seiner „Agenda 2010“. Und: „Wenn unser Maßnahmenkanzler glaubt, das Begründen, Erklären und Argumentieren sei nicht sein Job, dann macht er, der es gewiss schwer genug hat, es sich doch zu einfach.“
Konkret schlägt Bartels vor, die Mehrwertsteuer um 5 Prozentpunkte auf 21 Prozent anzuheben. Die Mehreinnahmen von 40 Milliarden Euro sollten die Pflegeversicherung und die Hälfte der Arbeitslosenversicherung abdecken. So könnten die Lohnnebenkosten von jetzt 42,1 Prozent auf dann 37,1 Prozent sinken. Zudem sollte die Ökosteuer jährlich und unbefristet um 1 Cent pro Liter steigen, um die Renten zu stützen. Finanzminister Hans Eichel (SPD) und Kanzler Schröder haben allerdings eine erhöhte Mehrwertsteuer bereits mehrmals kategorisch ausgeschlossen.
Doch das „Netzwerk Berlin“ analysiert unbeirrt: „Der Konsum wird bei uns bisher weit niedriger besteuert als in den meisten anderen Staaten.“ So erhebt etwa Großbritannien eine Mehrwertsteuer von 17,5 Prozent, Dänemark und Schweden liegen bei 25 Prozent. DGB-Chef Michael Sommer hat daher schon ähnliche Vorschläge unterbreitet, und selbst manchen CDU-Politikern ist der Gedanke nicht fremd, die Lohnnebenkosten zu senken und die Mehrwertsteuer zu erhöhen. Sachsen-Anhalts Ministerpräsident Wolfang Böhmer plädierte ebenso dafür wie Peter Müller von der Saar. Beide wurden allerdings von der CDU-Parteispitze zum Schweigen gebracht.
Der Wirtschaftsforscher und DIW-Chef Klaus Zimmermann warnte allerdings davor, „das Geld überallhin zu schmeißen“. Man sollte eine erhöhte Mehrwertsteuer gezielt dazu nutzen, die Lohnnebenkosten im Niedriglohnsektor zu senken. „Besserverdienende müssen nicht entlastet werden“, sagte Zimmermann der taz.
Unterdessen tat sich ein weiterer SPD-Konflikt auf: Juso-Chef Niels Annen forderte gestern den Rücktritt von Wirtschaftsminister Wolfgang Clement (SPD). Den Kündigungsschutz durch eine Abfindung auszuhebeln, sei „gänzlich unakzeptabel“. Generalsekretär Scholz konterte, die Äußerung sei „abwegig“, Annen wolle sich nur „profilieren“.