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Archiv-Artikel

Der Gipfelsturm wird vertagt

Nachdem mit dem medaillenlosen Abschneiden bei der Skiflug-WM die hochfliegenden Ziele des neuen Skisprung-Cheftrainers Wolfgang Steiert in dieser Saison endgültig verpasst sind, ruhen die Hoffnungen jetzt auf dem kommenden WM-Jahr

AUS PLANICA KATHRIN ZEILMANN

Es ist ja nicht abwegig, in den Julischen Alpen ein wenig über die Bergwelt zu reden. So ließ Wolfgang Steiert, Cheftrainer der deutschen Skispringer, zum Abschluss der Skiflug-Weltmeisterschaft im slowenischen Planica alle an seinen Gedanken über Täler und Berge teilhaben. Doch um die Alpengipfel ging es nicht, Steiert philosophierte über die Formkurven seiner Springer. „Man muss auch mal durch ein Tal gehen, wir waren doch lange erfolgreich.“

Und genau an dieser Stelle hakt das Gedankenmodell des Wolfgang S. aus dem Schwarzwald. Eben weil der Erfolg, der die deutschen Skispringer lange Jahre begleitet und zu großer Popularität geführt hat, sich 2003 bei der Weltmeisterschaft in Val di Fiemme verabschiedet hatte, rückte Steiert an die Stelle seines ehemaligen Chefs Reinhard Heß. Der neue Mann sollte die – zugegebenermaßen nur ein wenig – schwächelnden Springer wieder auf Kurs bringen und den verlorenen Mannschaftsgeist zurückholen. Steierts Ziele waren ehrgeizig: Siege im Weltcup, Erfolge bei der Vierschanzentournee, Medaillen bei der Skiflug-WM. Gelungen ist ihm bis dato nur, dass mit Georg Späth und Michael Uhrmann zwei Leute ins Rampenlicht gesprungen sind, die bei Heß unter dem Sammelbegriff „Anschlusskader“ ein unscheinbares Dasein führten. Beide werden von Steierts Co-Trainer Peter Rohwein betreut.

Aber sonst? Sven Hannawald und Martin Schmitt, die von ihrem Heimtrainer Steiert jahrelang besondere Zuwendung erfuhren, geraten ausgerechnet dann in die Krise, wenn er ihr Chef wird. Aber während Schmitt seine Fehler erkennt, sie auszubügeln versucht und sein persönliches Tal aufrechten Hauptes zu durchschreiten scheint, gibt Hannawald auf der Skisprung-Bühne derzeit den Leidenden: „Ich tue mir schwer“, sagt er einmal. Ein andermal dann: „Ich drehe mich im Kreis. Ich weiß auch nicht.“ Eine Lösung fällt Steiert hier nicht ein, er blickt schon in den nächsten Winter: „Hannawald muss jetzt eben kleinere Brötchen backen. Aber er kommt wieder. Wie viele Springer waren mehrere Monate weg vom Fenster und sind als Sieger zurückgekehrt?“ Das sagt Steiert allerdings schon länger.

Immerhin scheint sich der Zusammenhalt in der Mannschaft verbessert zu haben. So weit es in der Individualsportart Skispringen möglich ist, haben sie sich wohl zusammengerauft. Wer Uhrmann in Planica gesehen hat, als er in den Auslauf gesprintet ist, um Späth zu seiner „Halbzeit-Führung“ im Einzel-WM-Fliegen zu gratulieren, und wie er danach mit breitem Grinsen die Leistung seines Zimmergenossen gelobt hat, erkannte, dass die Freude echt war. Und als in der Mannschaftskonkurrenz am Sonntag nur Rang vier blieb, ließ sich niemand zu Vorwürfen hinreißen. Das Gefüge aus Kameradschaft und Respekt vor der Leistung des Einzelnen hatte bei der WM 2003 wohl zu sehr gelitten, als dass es unter Heß noch zu kitten gewesen wäre.

Der Deutsche Skiverband (DSV) will sich nach der medaillenlosen Skiflug-WM nicht zu Personalentscheidungen hinreißen lassen. „Im Frühjahr wird alles analysiert, so wie jedes Jahr“, sagt Sportdirektor Rudi Tusch. Es steht eigentlich außer Frage, dass der Verband mit Steiert als Chef weiterarbeiten wird: „Wir halten an ihm fest“, betont Tusch. Dass vorzeitige Trainerentscheidungen vom Sport selbst ablenken und Spekulationen Tür und Tor öffnen, hat jüngst der österreichische Verband bewiesen. Die in diesem Winter ebenfalls nicht mit Erfolg verwöhnten österreichischen Springer um Trainer Hannu Lepistö gewannen überraschend Bronze im Team-Skifliegen hinter Norwegen und Finnland, aber vor den Deutschen. Doch weil unmittelbar danach bekannt wurde, dass Trainer Lepistö nach der Saison gehen wird, gewann die Frage nach dem Nachfolger an Gewicht, und die unerwartete Medaille verblasste.

Edelmetall gibt es in dieser, von den Skandinaviern beherrschten Saison im Skispringen nicht mehr zu gewinnen, nur noch Weltcups stehen im Terminkalender. „Anständig zu Ende bringen will ich diesen Winter“, formuliert es Michael Uhrmann, der in Zakopane für den bisher einzigen Saisonsieg des DSV-Teams im Weltcup gesorgt hat. Und weil der Niederbayer mit Wohnsitz im voralpenländischen Ruhpolding das Bergwandern liebt, kennt er sich in Sachen Berg und Tal auch gut aus und sagt bezüglich Steierts Ausführungen: „Da hat der Wolfi schon recht.“ Man hofft also auf Gipfelstürme bei der Weltmeisterschaft in Oberstdorf im nächsten Jahr.