: Ganz liberal Sowohl-als-auch
Hamburgs FDP geht auf Distanz zu Schill, sieht aber keine Alternative zur Rechts-Koalition. Parteichef Soltau im Amt bestätigt, Schulsenator Lange gestärkt. Die Liberalen wollen sich für Bauwagenplätze und eine Reform des Wahlrechts einsetzen
von SVEN-MICHAEL VEIT
Hamburgs FDP setzt weiter auf ein typisch liberales Sowohl-als-auch. Dem Festhalten an der Rechts-Koalition mit CDU und Schill-Partei in der Hansestadt setzte der Parteitag am Wochenende deutlich kritische Worte über Innensenator Ronald Schill entgegen. Zu den Themen Bauwagen und Wahlrecht beschloss er Positionen, die im Regierungsbündnis kaum mehrheitsfähig sind.
Zuvor hatten die 120 Delegierten im Bürgerhaus Wilhelmsburg den Parteichef Reinhard Soltau mit 110 Stimmen für weitere zwei Jahre im Amt bestätigt. Der 61-jährige Oberstudienrat und ehemalige Bürgerschaftsabgeordnete hatte in seiner Rede den Spagat vorgeführt, den die Partei nun intensiver als bisher trainieren muss.
„Einzelnen Vertretern“ der Schill-Partei warf Soltau „persönliche Diffamierungen politisch Andersdenkender“ sowie die „Ausgrenzung von Minderheiten“ vor. Dennoch stehe die FDP „zu dieser Koalition des notwendigen Wechsels“. Der Gang in die Opposition sei – ganz nach der traditionellen Sichtweise der Partei – „keine Alternative“.
Kritik am Erscheinungsbild der FDP in Hamburg kam vor allem von den beiden Parteivizes, die nicht zur Wiederwahl antraten. Joachim Sproß vermisste „den liberalen Anstrich in der Regierungsarbeit“, Eva Parbs betrauerte, die Partei würde „selbst in ihren Hochburgen nicht mehr Ernst genommen“. Die Delegierten lohnten die offenen Worte mit Beifall und wählten anschließend weniger koalitionskritische Geister an die Parteispitze.
Soltaus Stellvertreter sind weiterhin Alexander Geisler sowie erstmals die Unternehmerin Jasmin Mißler sowie Gerhold Hinrichs-Henkensiefken. Letzterer ist Leiter der Präsidialabteilung in der Bildungsbehörde und sorgt künftig für ein stärkeres Gewicht von Schulsenator Rudolf Lange im Vorstand der Elbliberalen.
Zudem verabschiedete der Parteitag zwei Anträge zur Reform der Bezirksverwaltung und des Wahlrechts, welche den HamburgerInnen mehr Einfluss auf politische Entscheidungen einräumen sollen. In den Bezirken sollen die Amtsleiter direkt gewählt sowie die Zuständigkeiten gegenüber dem Senat klarer abgegrenzt werden; die Fünf-Prozent-Hürde soll wegfallen. Auch sollen die BürgerInnen mehrere Stimmen auf DirektkandidatInnen verteilen können (Kumulieren und Panaschieren). Bislang stehen nur die Listen der Parteien als ganze zur Wahl.
Beinahe einmütig sprachen sich die Delegierten außerdem für eine Änderung des Wohnwagengesetzes aus. Sie soll Bauwagenbewohnern dauerhaft diese „alternative Wohnform“ ermöglichen – ein Vorschlag, den CDU und Schill-Partei entschieden ablehnen.
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