piwik no script img

Archiv-Artikel

Mehr Gelb für Schwarz: Und mindestens zwei Senatoren für die FDP

Am Sonntag wählt Hamburg eine neue Bürgerschaft. Den nächsten Bürgermeister werden CDU oder SPD stellen, die möglichen Koalitionspartner sind FDP oder GAL. Heute im taz-Interview über Kita und Prozente, Schill und Lange: Reinhard Soltau, Bildungssenator und Spitzenkandidat der FDP

„Schill hat der Stadt geschadet, muss man sagen. Daher war es jetzt richtig, die Koalition zu beenden“„Die SPD ist gegenwärtig nicht koalitionsfähig. Der Slogan „Gesundheit ist keine Ware“ ist Volksverdummung“

Interview: PETER AHRENS

taz: Herr Soltau, wenn Sie in drei Monaten wieder Lehrer im Schuldienst sind ...

Reinhard Soltau: Nein, in drei Monaten bin ich nach wie vor Senator für Bildung und Sport in dieser Stadt.

Was macht Sie so optimistisch? Bisher hat keine einzige Umfrage die FDP über der Fünfprozenthürde gesehen.

Wir liegen in den Umfragen stabil bei vier Prozent ...

Eben.

Viele Leute fällen ihre Entscheidung erst ganz kurz vor der Wahl. Und ich habe in meinem bisherigen Wahlkampf jedenfalls nicht gemerkt, dass irgendjemand in der Stadt sich nach Rot-Grün zurücksehnt. Und die große Koalition oder die Alleinregierung einer Partei werden genauso ungern gesehen.

Ihre Partei weist stets darauf hin, die CDU-Strategie, auf absolute Mehrheit zu setzen, werde nicht aufgehen. Deswegen müsse die FDP gewählt werden. Klingt wie eine Bettelkampagne.

Nein, das ist keine Bettelei, sondern eine klare Kampagne, die sagt: Wenn ihr wollt, dass das, was in dieser Stadt in zwei Jahren angeschoben worden ist, fortgesetzt wird, dann braucht ihr dazu die FDP.

Fühlen Sie sich als Koalitionspartner von Ole von Beust zurzeit undankbar behandelt?

Nein, ich sehe das ganz gelassen. Jeder kämpft natürlich für sich.

Ob Sie gemeinsam mit der CDU eine Mehrheit bekommen können, hängt auch von der Unwägbarkeit des Themas Schill ab. Geben Sie ihm eine Chance für den Einzug in die Bürgerschaft?

Das ist furchtbar schwer abzuschätzen. Man weiß nicht, inwieweit seine Wähler sich in Umfragen dazu bekennen. Wenn ich bedenke, wie er sich in den vergangenen zwei Jahren aufgeführt hat, kann ich mir allerdings nicht vorstellen, dass ihn noch jemand wählt. Ich vermute, dass die Hamburger so vernünftig sind, dass sie sich diesem Theater nicht weiter aussetzen wollen.

Ihre Partei hat dieses Theater auch zwei Jahre mitgemacht.

Wir hatten vor der Wahl gesagt, dass wir den Wechsel wollen. Der war dann nach der Wahl rechnerisch möglich. Dann haben wir verhandelt. Und das Ergebnis dieser Verhandlungen war ein Koalitionsvertrag, von dem auch in den Medien viele zu uns gesagt haben: Da hättet ihr ja gleich das FDP-Programm nehmen können. Wenn in der Folgezeit Äußerungen von Schill-Abgeordneten kamen, die dem Koalitionsvertrag widersprachen, habe ich mich auch deutlich zu Wort gemeldet. Wir haben unser liberales Wächteramt sehr ernst genommen.

Also alles harmlos und in Ordnung, dass ein Schill und seine Leute regiert haben?

Nein. Es hat der Stadt geschadet, muss man sagen. Daher war es jetzt richtig, die Koalition zu beenden. Aus dieser Erfahrung der zwei Jahre haben wir gelernt. Eine solche Koalition käme für uns nicht mehr in Frage.

Sie regieren immer noch gemeinsam mit einem Innensenator Nockemann ...

Die Koalition ist nur noch geschäftsführend im Amt. Wir fassen keine Beschlüsse mehr, die den nachfolgenden Senat binden würden.

Nach unserer Erinnerung hat sich die FDP in den ganzen zwei Jahren nur zwei Mal vernehmlich gegen Schill zu Wort gemeldet. Das war beim Fixstern und mit Verspätung beim Verfassungsschutzgesetz. Das ist wenig für eine sich liberal nennende Partei.

Wenn man innerhalb einer Koalition etwas erreichen will, ist oft der interne Weg der erfolgreichere. Insofern ist manches, was wir erreicht haben, medienwirksam leider nicht so herübergekommen.

Zum Beispiel?

Beispielsweise der Punkt Videoüberwachung, wo wir im Vorfeld einiges abgemildert haben. So werde ich auch weiterhin keiner Videoüberwachung zustimmen, bei der der Bürger nicht klar weiß, dass er überwacht wird.

Die Fraktion in der Bürgerschaft zum Beispiel war und ist kaum vernehmbar.

Es ist natürlich schwer für eine kleine Fraktion, sich Gehör zu verschaffen. Da wird man gern aus Zeitungsartikeln auch mal herausgekürzt. Von daher ist es nicht immer einfach. Es stimmt aber, dass wir uns zum Beispiel im wirtschaftspolitischen Bereich noch etwas deutlicher hätten artikulieren müssen.

Es ist natürlich auch ein Fehler gewesen, nur auf einem Senatorenamt zu bestehen. Eine Partei in der Regierung muss mindestens zwei Ministersessel haben, sonst wird die ganze Arbeit von Partei und Fraktion nur mit dem einen Senator identifiziert.

Falls Sie weiterregieren könnten, würden Sie demnach auf mehr als ein Senatorenamt Anspruch erheben?

Ja.

Die FDP will also das Wirtschaftsressort haben?

Über Ressorts und Personalien reden wir, wenn es so weit ist.

Sie gelten als Sozialliberaler. Haben Sie sich in den vergangenen zweieinhalb Jahren verbogen?

Nein. Erst einmal halte ich nicht viel davon, dem Wort liberal alle möglichen Zusatzetiketten zu verleihen. Aber wenn es um eine Schwerpunktsetzung geht, dann kann ich mit der Bezeichnung sozialliberal sehr gut leben. Ich hab meine Position immer eingebracht, wenn es nötig schien. Und eine Koalition ist ja auch immer nur ein Zweckbündnis auf Zeit. Dass mir diese Koalition schwer gefallen ist, ist keine Frage. Aber auch ich musste mir die Frage stellen: Was kann ich in der gegebenen Situation für Hamburg erreichen?

Hätten Sie mit der SPD mehr erreichen können?

Nein. Der Wechsel in Hamburg war wirklich notwendig. Und wenn Sie sich anschauen, wie die SPD die zwei Jahre zur Regeneration genutzt hat, dann ist es selbst für einen Sozialliberalen keine Versuchung, an so eine Koalition zu denken.

Eine Ampelkoalition käme für Sie demnach nicht in Frage?

Dafür wird es wohl ohnehin keine Mehrheit geben. Aber abgesehen davon: Die SPD ist gegenwärtig nicht koalitionsfähig.

Warum?

Nehmen Sie das Beispiel LBK. Der Slogan „Gesundheit ist keine Ware“, den auch die SPD verkündet, ist Volksverdummung. Wer mit solchen Parolen auf Stimmenfang geht, kann mit uns nicht koalieren.

Sie verkörpern als Bildungssenator das Thema, mit dem die Opposition aus SPD und GAL in den Wahlkampf zieht und am meisten punkten will. Ist es nicht fast tollkühn, nach der Regierungszeit Ihres Vorgängers Rudolf Lange dieses Thema zum Wahlkampf-Schwerpunkt der FDP zu machen?

Es ist klar, dass sich SPD und GAL besonders auf die FDP einschießen. Denn wenn Rot-Grün überhaupt eine Chance haben will, dann nur, wenn die FDP nicht in die Bürgerschaft einzieht. Zudem muss ich sagen: Was die andere Seite zum Thema Bildung zu bieten hat, ist dünn. Was die SPD fordert, machen wir alles längst. Und zur GAL: Wer jetzt noch eine Schulform-Debatte führt, der führt wirklich die Debatten von gestern. Insofern ist die Opposition zwar laut, aber wenig überzeugend.

Sie erwecken den Eindruck, als sei in der Bildungspolitik alles super gewesen. Warum ist dann Herr Lange zurückgetreten?

In der Kita-Politik hat es sicherlich Probleme gegeben. Und dafür hat Herr Lange auch die Verantwortung übernommen. Das ist aller Ehren wert.

Und deswegen wird er jetzt im Wahlkampf auch versteckt? Er taucht nirgends auf.

Herr Lange kandidiert nicht mehr für die Bürgerschaft. Nur deswegen macht er auch keinen Wahlkampf.

Letzte Frage: Wie wird die FDP am 29. Februar abschneiden?

Sechs Prozent plus X.