WOCHENÜBERSICHT: KUNST
: Brigitte Werneburg schaut sich in den Galerien von Berlin um

Reiner Maria Matysik „phylogenetisches driften“, Galerie K & S, Linienstraße 156/157, Mi–Fr 15–19, Sa 12–17 Uhr, bis 20. März

Abenteuerlich ist derzeit der Besuch in der Galerie K & S, dem Projektraum, den die Akademie Schloss Solitude, Stuttgart, und das Künstlerhaus Bethanien in der Linienstraße unterhalten. Vor allem auf den Kopf sollte man Acht geben. Nicht nur, weil hier das Nachdenken stattfindet, das immer aufmerksam registriert werden sollte und bei K & S insbesondere über Reiner Maria Matysiks Modelle zukünftiger Lebensformen. Nein, man sollte einfach aufpassen, dass man sich den Kopf nicht an der Decke anstößt. Denn Matysik hat im hinteren Bereich der Galerie ein kleines Gewächshaus gebaut, das man von oben, über ein Gerüst, einsehen kann. Und oben auf diesem Gerüst ist man der Decke doch sehr nah. In Matysiks Gewächshaus gedeihen merkwürdige Wesen, Bionten genannt, Prototypen einer fiktiven, zukünftigen Mischung aus Pflanzen, Tieren und Bakterien. Schön und bizarr, vertraut, und doch ganz anders als das übliche Grünzeug schauen die Bionten aus und sie lassen sich auch als Skulpturen oder ganze Architekturen betrachten. Dieser Ansatz ist nicht falsch. Denn Matysiks florale und zoologische Utopien verweisen durchaus auf die ästhetische Herangehensweise an unsere Umwelt, die selbst für die Naturforschung unumgänglich ist. Daher rief der Künstler auch in Zusammenarbeit mit Wissenschaftlern das Institut für Biologische Plastik (ibiop) an der Braunschweiger Hochschule für Bildende Künste ins Leben. Hier soll die Neugestaltung von Organismen nicht unter gentechnischen Voraussetzungen diskutiert werden, sondern unter ethisch-ästhetischen. Als biologische Plastik, nicht als biologische Funktion. Was das meint, zeigt die Videolounge im vorderen Bereich von K & S. Man sieht, wie Matysik die botanische Exkursion im Dschungel von Thailand zur Pflanzenverschönerung nutzt. Agaven stehen rote Spitzen sehr gut!