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Archiv-Artikel

Wende an der Weser

Das Achtelfinale der Champions League wird wieder einmal ohne Werder Bremen stattfinden. Nach dem 2:2 auf Zypern steht der Klub vor einem Umbruch. Sportdirektor Allofs übt erstmals Selbstkritik

VON FRANK HELLMANN

Vielleicht musste es so kommen. In einem putzigen, ja provinziellen Stadion von Nikosia, bei einem heimatlosen zyprischen Novizen in der Welt der Meister des Kontinents ist für Werder Bremen das Ende einer Ära besiegelt worden. Das 2:2 (0:0) bei Anorthosis Famagusta, verbunden mit dem Aus in der Champions League, gilt als „riesengroße Enttäuschung“, wie Thomas Schaaf ausführte.

Die Malaise, die seine Mannen auf der Mittelmeerinsel umgab, ließ sich auf eine Szene einer skurrilen Schlussphase fokussieren: Die Bremer hatten mit einem Kraftakt gerade das 2:2 geschafft, als Torschütze Hugo Almeida noch einmal unverhofft allein aufs Famagusta-Tor lief. Und versagte. „Schon bei dem Schuss habe ich Krämpfe in beiden Beinen verspürt“, klagte der patzende Portugiese später, was Kopfschütteln unter Kollegen produzierte. „Freier kann man nicht stehen. Das sind Tore, die du machen musst“, lästerte der enttäuschte Torsten Frings. Selbst der Wortführer in Werderteam nahm jedoch noch am GSP-Stadion von Nikosia die grün-weiße Brille ab: „Wir hatten es einfach nicht verdient weiterzukommen. Wir haben in der Champions League diesmal nie abgerufen, was wir können.“

Dreimal hintereinander ist der ambitionierte Bundesligist nun am avisierten Achtelfinaleinzug gescheitert – das erste Mal ist gar das Überwintern im internationalen Geschäft in großer Gefahr. Wenn am 9. Dezember im Weserstadion nicht gegen den italienischen Meister Inter Mailand gewonnen wird, haben die Bremer Platz drei in ihrer Gruppe endgültig verpasst und dürfen nicht einmal mehr im Uefa-Cup mitspielen. „Wer in zwei Spielen keinen Sieg gegen Famagusta einfahren kann, der ist einfach nicht gut genug. Wir haben nicht die Klasse gehabt, uns hier durchzusetzen“, konstatierte Sportchef Klaus Allofs. Trainer Schaaf kritisierte, die Seinen hätten erst am Schluss Mut und Glauben gezeigt. Warum kam Werders Erwachen – wieder einmal – zu spät?

In der Ursachenforschung wird an Schaaf intern keinen Deut gerüttelt. Allofs sieht sich und den Rest der Geschäftsführung vorbehaltlos hinter dem 47-Jährigen, der im Mai 2009 sein zehnjähriges Dienstjubiläum als Chefcoach an der Weser feiert. Nur wenn alles weiter dumm läuft, stehen die Grün-Weißen dann wieder da, wo mal alles begann: im grauen Mittelmaß, weit weg von nationalen und internationalen Fleischtöpfen. Was fatal wäre: Die Werder Bremen GmbH&Co KGaA existiert in ihrer aktuellen Ausprägung nur, weil man fünf fette Jahre lang von der Geldverteilungsmaschinerie der Uefa bedient wurde.

Beinahe manisch wies Allofs noch in der Nacht von Nikosia darauf hin, dass man bitte schön alles daransetzen solle, noch den dritten Gruppenplatz zu erreichen. Weil ja auch der Uefa-Cup ein netter Wettbewerb sei, „in dem wir Geld verdienen können“.

Dem 51-Jährigen dürften die Worte von Jürgen L. Born bei der Mitgliederversammlung im Ohr klingen. Der Vorstandsboss hatte die Geldquelle Champions League als „markantesten Träger unserer Umsätze“ titulierte. Im Rekordetat von 112 Millionen Euro kündigen sich Einschnitte an, „ein Jahr können wir das auffangen, aber nicht dauerhaft“, so Allofs.

Der Rheinländer gesteht sich rückblickend selbst Fehler in der Personalpolitik ein. „Der Druck aus der zweiten Reihe ist nicht so groß, wie wir uns das wünschen. Wir hatten vor der Saison den Eindruck, dass wir mit diesem Kader gut gerüstet sind. Da müssen wir mit Blick auf unsere finanzielle Situation vielleicht einiges neu bewerten.“ Ergo sei ein Wendepunkt erreicht.

Vielleicht wägt auch der eine oder andere Werder-Star neu ab und spricht demnächst in der vierten Etage der Geschäftsstelle vor. Etwa Diego oder Claudio Pizarro, die viel zu oft den Nachweis schuldig geblieben sind, in der Champions League wirklich Entscheidendes bewegen zu können. Gut möglich, dass die Südamerikaner am Saisonende den Klub verlassen werden. Diego, erst 23, hat anklingen lassen, dass die internationale Bühne elementar für seine Treuebekundungen sei. Der Vertrag mit dem Brasilianer läuft noch bis 2011 – die höchste Ablöse ließe sich im kommenden Sommer erzielen. Pizarro, bereits 30, ist vom FC Chelsea nur ausgeliehen – dazu ohne Kaufoption. Kaum vorstellbar, dass der Peruaner bleiben wird.

Thomas Schaaf und Klaus Allofs werden viel Arbeit haben – kurzfristig (Samstag gegen Frankfurt nicht wieder zu schwächeln), mittelfristig (bis zur Winterpause in der Bundesliga Boden gutzumachen) und langfristig (mal wieder in die Champions League zu kommen). Letzteres ist das erklärte Ziel der Bremer Baumeister. Doch Allofs schwant schon: „Das wird ein weiter Weg.“