piwik no script img

Archiv-Artikel

„Wach sein oder wach werden“

Die Punkband Mia wird am 1. Mai zum Auftakt der revolutionären Demo spielen – auch wenn es zu Gewalt kommt. Für Schlagzeuger Gunnar und Sängerin Mieze ist es eine Art von Statement: Musik als Medium für politische Inhalte

taz: Mieze und Gunnar, mit welchen Songs wollt ihr in den 1. Mai rocken?

Mieze: Wenn möglich, spielen wir alles. Mit „Ekelhaftes Benehmen“ fangen wir an und mit „Machtspiele“ hören wir auf. Eine gute Set-List für den 1. Mai, das sind beides ja extreme Stichworte für diesen Tag.

Ihr werdet also definitiv spielen. Es gab ja Gerüchte, dass ihr euren Auftritt aus Angst vor Prügeleien abgesagt hättet.

Mieze: So weit ich weiß, war das ein Boykottversuch der Kreuzberger Veranstalter. Für uns war immer klar, dass wir spielen. Das wollten wir schon seit Jahren.

Gunnar: Für uns ist es eine sehr aufregende Sache, dabei zu sein. Ein wichtiger Tag, um auf die Straße zu gehen, für Arbeiter genauso wie für jeden anderen. Besonders in diesem Jahr, in dem die rot-grüne Bundesregierung dabei ist, den Sozialstaat zu kürzen. Das ist eine Schweinerei.

Welche Bedeutung hat der 1. Mai für euch? Wofür steht er?

Mieze: Es ist ein revolutionärer Tag, ein Tag der Meinungsäußerung und auch eigentlich ein Tag der Einigkeit.

Gunnar: Mich stört dabei sehr, dass die Inhalte außen vor bleiben. Gerade jetzt sollte es um den Protest gegen die sozialen Einschnitte und um eine klare Gegenposition zum Irakkrieg gehen. Das Problem ist immer noch aktuell, auch wenn es so aussieht, als hätten die Leute keins mehr damit.

Wahrgenommen wird der 1. Mai mehr als Tag der Gewalt.

Gunnar: Das stört mich sehr. Ich bin seit 1992 in Berlin und hatte von Anfang an das Gefühl, dass sich alle Seiten einen Sport aus den Grabenkämpfen machen. Nach speziell Berliner Tradition sogar die linken Gruppen untereinander. Ich wollte mich informieren, wofür sie stehen, fand das aber nur sehr verwirrend. Provokation ist nicht meine Art der Meinungsäußerung.

Mieze: Die Medien pushen das auch sehr und legen den Fokus auf die Gewalttätigkeit.

Stellt ihr euch mit dem Auftritt nicht auch in diesen Zusammenhang?

Gunnar: Die Musik von Mia ist ja nicht aggressiv. Sie soll dazu herausfordern, wach zu sein oder wach zu werden. Die Leute in die Stimmung versetzen, dass sie was bewegen können. Generell ist es für mich ein Statement, wenn jemand auf dem 1. Mai spielt.

Was macht ihr, wenn es vor euerer Bühne trotzdem Ausschreitungen gibt?

Gunnar: Wir würden notfalls unterbrechen und dazu aufrufen, dass die Leute aufhören.

Fühlt ihr euch benutzt von der Bezirkspolitik, Kultur zur Befriedung einzusetzen? Dabei geht es ja nicht unbedingt um Inhalte.

Mieze: Wenn wir spielen, ist ja Inhalt da, wir füllen die Zeit mit unseren Liedern.

Gunnar: Ich finde es eine gute Sache, über Kultur zu versuchen, mehr Leute auf die Straße zu bringen. Vielleicht auch Leute, die nicht gekommen wären. Es geht um möglichst große Meinungsvielfalt.

Dreht ihr, wie damals Atari Teenage Riot, auch ein Video?

Mieze: Nee, das würde euch gut passen, wa? Machen wir nicht.

Der Auftritt passt doch ganz gut in euer Image der wütenden Punkrockband.

Mieze: Mit Image hat das nichts zu tun. Wir nutzen einfach jedes Konzert, um Inhalte zu vermitteln.

Gunnar: Auch wenn es naiv klingen mag, wir wollen spielen, um die Situation so zu gestalten, dass alles gut läuft. Und manchmal fühlt es sich ja ganz gut an, naiv zu sein. INTERVIEW: SUSANNE LANG