: Mutanten wie wir
Zu viel Action, zu wenig Minderheitenpolitik: Regisseur Bryan Singer hat bei „X-Men 2“ etwas vergessen
Wer gleitet so spät durch Nacht und Wind? Der Nightcrawler wird es sein, dunkelblau, schüchtern, des Teleportierens (in etwa: Beamens) mächtig und das neueste X-Men-Mitglied, your friendly neighbourhood mutant also, einer von uns. Denn dass Mutanten genauso wie wir denkende, fühlende, teilweise allerdings etwas weniger schmerzempfindliche Wesen sind, das haben wir alle in der ersten, wunderbar minderheitenfreundlichen X-Men-Comic-Verfilmung gelernt, in der sich die Mutanten unter der Leitung des mächtigen Telepathen Professor Xavier (Patrick Stewart) gegen einen Mutantenkiller aus der Politik zusammentun und ganz nebenbei noch einen bei sich aufnehmen, der der uneheliche Sohn von Clint Eastwood und ein Werwolf sein könnte: Wolverine (Hugh Jackman).
Wolverine lässt im zweiten Teil der Saga natürlich auch wieder die eingebauten Adamantium-Krallen blitzen, und die guten Mutanten müssen zusammen mit den bösen (Magneto, der Herr des Metalls, und die mysteriöse Mystique) gegen einen Nichtmutanten kämpfen, der aus persönlichen Gründen ein militärisches Anti-Mutanten-Programm auffährt.
Vielleicht eisen, brennen, teleportieren, kämpfen, brüllen und schweben sich ein paar Mutanten zu viel durch den neuen Bryan-Singer-Film. Nicht, dass man als echter Superhelden-Fan nicht für jede ungewöhnliche Superkraft dankbar wäre, aber da Wolverine zusammen mit Storm (Halle Berry), Cyclops (James Marsden) und Jean Grey (Famke Janssen) gleich die ganze X-Men-Schule vor dem Mutantenvernichter retten muss, bleiben die persönlichen, sehr interessanten und facettenreichen Geschichten etwas auf der Strecke des Geballers. Statt Wolverines grausame Vergangenheit genauer zu beleuchten, die zarten Bande zwischen ihm und Jean Grey zu entwickeln und die Teeniemutanten-Pubertät seines Schützlings Rogue (Anna Paquin) zu beobachten, biegt Singer in all diese Geschichten meist nur kurz ein, um schnell wieder auf die Comic-Ebene zurückzukehren. Und sich damit ein wenig zu weit in die pure, stumpfe Action-Ecke zu drängeln.
Wenn im dritten Teil jedoch der deutschstämmige Nightcrawler (Alan Cumming), der aus einem Zirkus weggelaufen ist, weiter so schön Gebete vor sich hinmurmeln wird, und wenn Wolverine wieder etwas öfter schlecht gelaunt durch die Gegend stiefeln und Bierdosen exen wird, verzeiht man das alles. Schließlich haben es genetische Sonderwesen wahrlich nicht leicht in dieser Welt.
JENNI ZYLKA
„X-Men 2“, Regie: Bryan Singer.Mit Hugh Jackman, Halle Berry u. a., USA 2003, 125 Minuten