: Holzhacken gegen den Abstieg
Die Krefelder Pinguine haben sich von ihrem Meistertitel nicht erholt und brechen alle Negativrekorde. Immerhin wird sie der kanadische Trainer Bill Stewart vor dem Abstieg bewahren
VON CHRISTIANE MITATSELIS
Bill Stewart, ein Eishockey-Trainer von der ganz harten Sorte, hackt bei bitterer Kälte im tief verschneiten kanadischen Wald Holz, als sein mobiles Telefon klingelt. Es ist ein Anruf aus Germany. „Hey Bill“, fragt ihn da ein Mann, der aus dem weit entfernten Krefeld am Niederrhein anruft, „hast du nicht Lust unsere Eishockey-Mannschaft vor dem Abstieg zu retten?“ Stewart antwortet: „Okay, ich schau mir an, was ihr für Spieler habt und sag euch dann Bescheid.“ – Es vergingen nur ein paar Stunden, da sagte Stewart schon zu. So sei es gewesen, wird in Krefeld erzählt. Man glaubt die schöne Geschichte natürlich gern, auch wenn die Vermutung nahe liegt, dass sie in der Überlieferung mit ein paar ausgedachten Details noch schöner gemacht worden ist.
Wahr ist aber auf jeden Fall, dass der 46-jährige Stewart, der nur zehn Tage zuvor die Adler Mannheim verlassen hatte, Ende Januar beim gebeutelten deutschen Eishockey-Meister Krefeld Pinguine einen Trainer-Vertrag bis zum Saisonende unterschrieb. Seine Mission, die Vermeidung des Abstiegs aus der deutschen Eishockey-Liga (DEL), hat Stewart schon fast erfüllt. Der Kanadier, der 2001 mit Mannheim Meister wurde, schaffte es, der völlig unmotivierten und zerrissenen Krefelder Mannschaft kurzfristig Geist einzuhauchen. „Er hat den Spielern klar gemacht, dass sie schneller Urlaub machen können, wenn sie nicht in die Abstiegsrunde müssen“, berichtet ein Insider – in der DEL spielt der Tabellenletzte nach Ende der Vorrunde gegen den Letzten in den Playdowns in maximal sieben Spielen um den Klassenerhalt. Dass dies eine wirklich unangenehme Sache ist, konnte Stewart den Krefelder Profis offenbar ebenfalls beibringen. Unter seiner Regie holte der KEV aus acht Spielen 14 Punkte und hatte damit vor dem Wochenende zehn Punkte Vorsprung auf den vorletzten Tabellenplatz. Mit einem Sieg am heutigen Freitagabend (Rheinlandhalle, 20 Uhr) gegen die Kassel Huskies könnte der KEV den Klassenerhalt auch rechnerisch perfekt machen.
Trotzdem hat sich Krefeld schon jetzt in die Rekordlisten der DEL eingetragen, und zwar als schlechtester Meister aller Zeiten. Es ist das erste Mal, dass ein DEL-Champion so tief gefallen ist. Lediglich die Düsseldorfer EG verpasste in der Saison 1996/1997 den Einzug in die Playoffs. Ansonsten traten alle Meister zur Titelverteidigung an. Viele Dinge sind schief gelaufen nach dem sensationellen Sieg des KEV im fünften Playoff-Finale im April 2003 bei den Kölner Haien. Hier die Kurzform: Im Siegesrausch stattete der Verein den kanadischen Meistercoach Butch Goring, der damals wie ein Eishockey-Messias gefeiert wurde, mit einem großzügigen Zwei-Jahres-Vertrag aus. Danach war Goring leider nicht mehr richtig bei der Sache. Nur dreieinhalb Wochen dauerte die Saisonvorbereitung des KEV – und das, obwohl 15 neue Spieler zu integrieren waren. Üblich sind sechs Wochen. Nach Gorings Rauswurf im November rückte der lettische Coach Haralds Vasiljevs, vorher KEV-Jugendtrainer, nach. Nur leider wurde er von den Spielern nicht ernst genommen. Zwischendurch verausgabte sich der Klub finanziell, indem er teure Stürmer wie Stefan Ustorf und Alexander Selivanov verpflichtete. Auch das half erst nichts – doch dann kam Retter Stewart.
Angesichts der sportlichen Misere denkt man in Krefeld zurzeit lieber an die potenziell glorreiche Zukunft, an der gleich gegenüber der alten Rheinlandhalle gewerkelt wird. Dort nämlich entsteht eine moderne, 8.000 Zuschauer fassende Mehrzweck-Arena, der „Königpalast“. Anfang Dezember soll die Arena eingeweiht werden, der KEV wird dort seine Heimspiele absolvieren. Damit in Zukunft in Krefeld alles glatt läuft, verpflichtete der Hallenbetreiber mit Holger Rathke, dem ehemaligen Geschäftsführer der Kölner Haie, einen erfahrenen Mann als Hallen-Manager. „Für das ganze Projekt war es extrem wichtig, dass der Abstieg vermieden worden ist“, sagt der 40-Jährige. Übrigens soll er es gewesen sein, der Bill Stewart beim Holzhacken störte.