Analyse: Zur Wahlkampfstrategie der CDU : Durch Schweigen siegen
Der Herausforderer schweigt weiter. Ob Steuerreform, Herzogs Kopfpauschalen-Konzept zum Umbau der Sozialsysteme, oder Mautdesaster – die Liste ließe sich beliebig fortsetzen: Jürgen Rüttgers, immerhin CDU-Oppositionsführer im größten Bundesland, äußert sich nicht, schickt bestenfalls seine Fachpolitiker vor. Der Chef der Christdemokraten im Landtag dagegen besetzt nur die von ihm definierten Zukunftsthemen – die nur neun Presseerklärungen, die Jürgen Rüttgers bisher in diesem Jahr veröffentlichen lies, kreisen um das Thema Bildung und Forschung, Schule und Hochschule. Einzige Ausnahme: Aufreger wie die Phantomdiskussion um die vom grünen Bundesumweltminister Jürgen Trittin geplante Erhöhung der Kraftfahrzeugsteuer. Da ist der ehemalige „Zukunftsminister“ der Regierung Kohl dabei, spricht von „Abzocke“.
Jürgen Rüttgers, der Visionär: Das Image ist gewollt, wird von seinen Kommunikationsstrategen um seinen Chefberater und ehemaligen Bild am Sonntag-Chefredakteur Michael Spreng bewusst inszeniert. Umgeben von Experten, kümmert sich der Vorsitzende um die großen Linien, lautet die Botschaft.
Beispiel Untersuchungsausschuss: Während Helmut Stahl, parlamentarischer Geschäftsführer der CDU-Landtagsfraktion, den überhasteten und der parlamentarischen Kontrolle völlig entzogenen Umzug der Regierungszentrale des ehemaligen SPD-Ministerpräsidenten Wolfgang Clement anprangert, kommt von Rüttgers – nichts: „Rüttgers kann doch nichts sagen. Der ist doch der Staatsmann“, sagt einer seiner Vertrauten. „Der Scharfmacher ist Stahl.“
Beispiel Umbau der Sozialsysteme: Eine inhaltliche Positionierung des größten CDU-Landesverbands zum widersinnigen Kopfpauschalen-Konzept der Herzog-Kommission steht noch immer aus – der daraus folgenden, jeglicher CDU-Programmatik widersprechenden sozialverträglichen Umverteilung in Milliardenhöhe zum Trotz. Rüttgers scheut die Konfrontation mit seiner Bundesvorsitzenden Angela Merkel, will aber die Wählerbasis möglichst breit halten: „Wir in NRW sind doch so etwas wie das soziale Gewissen der CDU.“
Erst die Macht, dann die Inhalte: Durchhalten lassen wird sich diese Strategie kaum: Die Öffentlichkeit wird wissen wollen, wofür Rüttgers steht. Sein Berater Spreng musste bereits erfahren, dass sich Images nicht beliebig modifizieren lassen – als Berater des gescheiterten Unions-Kanzlerkandidaten Edmund Stoiber.
ANDREAS WYPUTTA