Rausschmiss unmöglich

Tempodrom-Affäre: Der Druck auf Peter Strieder, Supersenator und SPD-Landeschef, wächst. Wer ihn ablösen will, muss höllisch aufpassen. Er tritt gegen einen der größten Zocker der Berliner Politik an

VON THORSTEN DENKLER

Es muss irgendwann vor dem 22. September 2002 gewesen sein. Da nahm Peter Strieder, Stadtentwicklungssenator und SPD-Landesvorsitzender in einer Person, den jungen Kreuzberger Emporkömmling Andreas Matthae, Bundestagskandidat und Parteivize, beiseite und sprach zu ihm: „Wenn du dein Mandat gewinnst, dann mach ich dich zum Parteichef.“ So wird es überliefert. Nun, Matthae verlor gegen Hans-Christian Ströbele von den Grünen. Und Strieder will dieser Tage alles, nur nicht an derartige Versprechen erinnert werden.

Strieder wird sein Amt nicht noch einmal so offen feilbieten. Schon gar nicht in einem Moment, in dem er durch Tempodrom-Affäre und Parteispende als angezählt gilt. Dabei mehren sich die Stimmen, die ihn loswerden wollen. Nur wie?

Viele, auch aus Strieders engerem Umfeld, sagen zwar, er habe die Lust am Parteiamt verloren. Doch eine geregelte Übergabe, wie sie noch vor wenigen Monaten möglich und zum Teil erwartet worden war, ist im Affärenchaos dieser Tage undenkbar. Strieder kann gar nicht: Würde er heute auf den Vorsitz verzichten, würde dies sofort als Reaktion auf die Affären verstanden werden. Der geliebte Senatorenposten wäre gleich mit futsch.

Jeder Tag aber, den Strieder länger im Amt bleibt, ist eine Belastung für die SPD. Stündlich liefern die Agenturen neues Material für Negativschlagzeilen über ihn. In den Umfragen ist die SPD von konstanten 30 seit Herbst auf magere 20 Prozent abgerutscht. Dies wird nicht zuletzt Strieder angelastet, der die Partei von der Kürzungspolitik des Senats weder überzeugen konnte noch wollte.

Einfach rausschmeißen geht aber nicht. Als Parteichef ist er noch bis Juni gewählt. Als Senator müsste das Parlament ihm das Vertrauen entziehen. Da hilft nur massiver Druck, um Strieder zum Rücktritt zu bewegen. Ein Job für Klaus Wowereit. Spätestens, wenn die Medien die ersten Angriffe gegen einen untätigen Regierenden Bürgermeister fahren, muss er Handlungsfähigkeit beweisen. Er dürfte sich nicht vorwerfen lassen, zugesehen zu haben, wie Strieder die Partei immer tiefer in den Sumpf zieht; schon allein, um seine Chancen für die Wahl 2006 zu wahren.

Fraglich allerdings, ob Wowereit für eine Abwahl die SPD-Fraktion geschlossen hinter sich hätte. Würde ein von Wowereit unterstützter Abwahlversuch scheitern, könnte dies den Regierenden in Schwierigkeiten bringen. Strieder wird zwar von niemandem geliebt, aber sein Einfluss ist nach wie vor groß. Und der bessere Zocker ist Strieder immer schon gewesen. Unvergessen sein Meisterstück, als er die Regierungskrise der Großen Koalition im Jahr 2001 dazu nutzte, innerhalb weniger Monate erst Wowereit in der Bundesspitze der Partei als neuen Regierenden durchzusetzen, um dann erst die Union, später Grüne und FDP und zuletzt die eigenen Genossen zugunsten einer rot-roten-Koalition auszubooten.

Die Putschstrategen um Hans-Georg Lorenz vom linken Donnerstagskreis konzentrieren sich nun auf den Landesparteitag. Strieder will sich dort erklärtermaßen zur Wiederwahl stellen. Die Linke ist bemüht, Andreas Matthae als geeigneten Gegenkandidaten aufzubauen. Schon heute leitet er de facto die Amtsgeschäfte der Landes-SPD. Von sich selbst behauptet er, das Ohr näher an der Basis zu haben als Strieder. Wowereit hat sich kürzlich eine Stunde Zeit für ihn genommen und Matthae auf seine Chefqualitäten hin abgeklopft. Wenn Wowereit an einem Plan B bastelt: Matthae dürfte darin einen festen Platz haben.

Doch Matthae will sich (noch) nicht offenbaren. Strieder gehört zu seinen Förderern, auch wenn Matthae seine Kritik an dessen Amtsführung nur noch schwer zurückhalten kann. Vorläufige Marschroute: Parteichef kann ich mir vorstellen. Aber nicht gegen Strieder.

Für Matthae spricht: Er steht mit seinen 35 Jahren für einen personellen Neuanfang in der Berliner SPD. Er übt kein Mandat aus und kann deshalb frei reden. Als moderater Linker kann er von allen getragen werden – auch von den Parteirechten. Das ist wichtig. Ginge es Andreas Matthae wie Strieder 2002, als er erst nach einer Kampfkandidatur gegen Hermann Borghorst vom rechten Flügel bestätigt wurde, Matthae würde schwer beschädigt den Chefsessel im Kurt-Schumacher-Haus übernehmen.

Diese Gefahr aber ist äußerst gering. Jede Option, Strieder loszuwerden, scheint derzeit flügelübergreifend willkommen zu sein. Von einem Sturz Strieders soll vor allem die Partei profitieren.

Von Andreas Matthae wird erwartet, sie zu einem wichtigen Spieler in der Landespolitik zu machen. Erst wenn er dies den Genossen glaubhaft versprechen kann, wird Peter Strieder die längste Zeit Parteichef und Senator gewesen sein.