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Archiv-Artikel

Rigider Sparkurs bedroht Goslarer Rammelsberg

Im Rammelsberg, Weltkulturerbe der Unesco und einem der ältesten Bergwerksmuseen Deutschlands, verkommen die Exponate

3.000 Jahre ist der Rammelsberg schon alt – und nun ist das ehemalige Kupfer- und Silberbergwerk am Harzrand erstmals gefährdet. Zwar wurde es 1992 zum Unesco-Weltkulturerbe erklärt, doch im Sommer beschloss die Stadt Goslar, einen rigiden Sparkurs zu fahren. Dies war der Beginn einer Provinzposse, die den Bestand eines einzigartigen Denkmals bedroht.

Zunächst wurde eine neue Geschäftsführung eingesetzt und eine „Sanierung“ beschlossen. Ein Konzept liegt zwar immer noch nicht vor, doch „saniert“ wurde trotzdem. Das fiel dem neuen Mann an der Spitze nicht schwer: Geschäftsführer Achim Jahns (44) bringt berufliche Erfahrungen als Autoverkäufer ein. Künftig sollen Gewinne erwirtschaftet werden, „schwarze Zahlen“ seien das wichtigste Ziel.

Als Erstes traf es die Mitarbeiter des Museums. Ein Autohaus braucht schließlich keine Wissenschaftler, warum also ein Museum? Künftig will man daher am Rammelsberg ohne Wissenschaftler, Restaurator, Archivar und Öffentlichkeitsarbeit auskommen.

Die neue Führung verlässt sich darauf, dass die Attraktionen des Rammelsbergs groß genug sind, um die touristischen Massen auch ohne fachkundige Betreuung anzulocken. Schließlich sind die Anlagen unter Tage einmalig wie etwa der über ein Kilometer lange „Rathstiefste“ Entwässerungsstollen aus dem Mittelalter oder ein Wasserkraftsystem aus dem 18. Jahrhundert.

Über Tage jedoch verfällt inzwischen die einst beispielhafte Begleitausstellung. Mangels Wartung laufen schon jetzt viele akustische Überraschungen und Filme nicht mehr; Vitrinen sind defekt, leer und unbeleuchtet; Lehrspiele, Modelle und Experimente funktionieren nicht mehr.

Einige kostbare archäologische Fundstücke sind sogar schon von Pilzen befallen, auch die einmalige Sammlung früher Bergwerkspläne sowie 3.000 Jahre alte Kupferscheiben sind gefährdet. Denn es gibt niemanden mehr, der sich um die Einhaltung der erforderlichen Klimabedingungen, die Raumtemperatur etwa oder die Luftfeuchtigkeit, kümmern könnte. Sogar einige leihgebende Landesmuseen sind inzwischen alarmiert und überlegen, ihre Exponate zurückzunehmen.

Aber auch finanziell geht die Rechnung nicht auf: Ohne qualifiziertes Personal musste sich das Museum aus Forschungsprojekten zurückziehen. Drittmittel und Fördermittel gingen damit verloren.

Weil es keine Wissenschaftler mehr gibt, schickte der Geschäftsführer neulich schon eine Hausfrau zu dem erbetenen Fachvortrag auf den Philologentag in Goslar. Es wurde zum Desaster – aber zumindest hatte man die Lacher auf seiner Seite.

Da wirkt es wie Hohn, wenn der zuständige niedersächsische Wissenschaftsminister Lutz Stratmann in einem Schreiben feststellt, dass es „das gemeinsame Ziel von Stadt und Land bleibt, das Weltkulturerbe Rammelsberg auf der Grundlage wissenschaftlicher Forschung zu einem Kompetenz- und Beratungszentrum für Montan- und Industriekultur in Niedersachsen zu entwickeln“.

Ein kleiner Trost: Im benachbarten Clausthal-Zellerfeld gibt es ein gutes Heimatmuseum. Das ist zwar nicht von der Unesco zum Weltkulturerbe ernannt worden, hat aber wenigstens eine wissenschaftliche Leitung. ANDREAS GUNDELWEIN