„Blanker Sozialabbau“

1. Mai des DGB: 5000 Menschen demonstrieren gegen den Kahlschlag bei den Sozialsystemen. Ver.di-Chef Frank Bsirske attackiert rot-grüne Bundesregierung. „Sozialrevolutionärer Block“ zieht weiter und wirft dem DGB „Kungelei“ vor

von KAI VON APPEN

Der 1. Mai des Deutschen Gewerkschaftsbundes DGB stand in diesem Jahr unter dem Zeichen der geplanten Kürzungen bei den Sozialsystemen durch die rot-grüne Bundesregierung. Marschiert wurde unter dem Motto „Reformen ja – Sozialabbau, nein danke“. Daher war es wenig verwunderlich, dass die gesamte SPD-Prominenz inklusive Hamburgs Parteivorsitzenden Olaf Scholz, die sonst traditionell die 1.Mai-Demo des DGB anführte, durch Abwesenheit glänzte. Dennoch: 5000 HamburgerInnen marschierten am 1. Mai, um ihren Unmut über die Regierungspolitik und dem Irak-Krieg zum Ausdruck zu bringen.

Die Stimmung war aufgrund der Regierungspläne aber eher gedämpft: Ohne viel Power marschierte das Gros über unbelebte Hauptstraßen vom Karoviertel über den Kiez zum Fischmarkt. Während sonst Arbeiterlieder aus den Lautsprecherwagen die Marschierenden einheizten, war dieses Jahr Stille angesagt. Lediglich auf dem Kiez ließ der Chor Hamburger Gewerkschafter kurzzeitig Kampfgefühle aufkommen und veranlasste Hamburgs ver.di-Vize und ehemaligen SPD-Bürgerschaftsfraktionschef Uwe Grund zu ein paar Worten. „Die Reformpolitik der Bundesregierung verdient diesen Namen nicht.“

In seiner Rede auf dem Fischmarkt griff ver.di-Bundeschef Frank Bsirske sowohl Bundeskanzler Gerhard Schröder als auch die Grünen scharf an und warf ihnen Wahlbetrug vor. „Es wird genau das Gegenteil gemacht, was vor der Wahl versprochen worden ist“, schimpfte er. Was als Reformen verkauft werde, sei „blanker Sozialabbau“. „Viele SPD-Bundestagsabgeordnete wissen gar nicht, was sie da beschließen“, so Bsirske. „Wir erleben einen Kanzler, der mittlerweile in zentralen Fragen den Wirtschaftsliberalen näher zu stehen scheint als weiten Teilen der eigenen Partei.“ Bsirske, der Mitglied der Grünen ist, wetterte aber auch über seine Partei: „Wir erleben, dass Teile der Grünen-Bundestagsfraktion sich scheinbar gar nicht genug beeilen können, bei wirtschaftspolitischen Positionen der FDP anzukommen.“

Bsirske bekräftigte in seiner Rede zugleich die Bereitschaft von ver.di, an Sozialreformen mitzuwirken. „Es geht nicht um die Frage, ob es Veränderungen geben soll, sondern um die Frage des Wohin.“ Entscheidend sei, mit welchen Antworten die Massenarbeitslosigkeit gesenkt und die sozialen Sicherungssysteme so umgebaut werden, dass Sozialabbau verhindert werde. „Diese Auseinandersetzung um Alternativen wollen wir aufnehmen. Die wird sicher nicht bis Juni entschieden sein.“

Während der Rede formierte sich am Rande der DGB-Kundgebung der autonome „Sozialrevolutionäre Block“, der zuvor mit den Gewerkschaften mitmarschiert war, zu einer weiteren Demo, die dann durch die bewohnten Straßen Altonas und St. Paulis zum Schanzenbahnhof zog. Motto: „Rücken krumm, Taschen leer – DGB, danke sehr!“ Die 1500 TeilnehmerInnen attackierten Innensenator Ronald Schill mit Sprechchören und warfen den Gewerkschaften „Kungelei mit der Bundesregierung und den Kapitalisten“ vor und zu wenig zur „Verteidigung der erkämpften Sozial- und Arbeiterrechte“ und gegen die „Hartz-Gesetze“ zu tun: So seien die so genannten „Personalserviceagenturen“ des Arbeitsamtes eine Form staatlicher Zwangsarbeit.