: Bürgerbegehren en gros
Senatsparteien machten sich mit ihren Projekten zur wachsenden Stadt unbeliebt. Möglicherweise kriegen sie in den Bezirken die Quittung
von GERNOT KNÖDLER
Eines der größten Ärgernisse der abgelaufenen Legislaturperiode muss für die senatstragenden Mitte-Rechts-Parteien das Recht gewesen sein, Bürgerbegehren zu initiieren. Reihenweise nutzten WählerInnen das 1998 eingeführte Instrument, um gegen die Wachstumspläne des Senats vorzugehen. Um dessen Politik nicht delegitimierenden Bürgerentscheiden auszusetzen, stimmten CDU, Schill-Partei und FDP dem Anliegen von Bürgerbegehren sogar pro forma zu, wohl wissend, dass der Senat in Bezirksangelegenheiten hineinregieren würde – so wie er es bei der Ernennung mehrerer Bezirksamtsleiter tat.
Gleich zu Beginn der Legislaturperiode setzte Bausenator Mario Mettbach (damals Schill) seine Freunde in Altona in die Nesseln, indem er das Versprechen erfüllte, die Stresemannstraße auf vier Spuren dem allgemeinen Verkehr zu öffnen. Anwohner demonstrierten wochenlang. Ihr Bürgerbegehren wurde von der Mitte-Rechts-Mehrheit in der Bezirksversammlung übernommen mit dem Argument, das Geld für einen Bürgerentscheid könne man sich sparen, da der Senat die Öffnung Stresemannstraße zu seiner Angelegenheit erklärt habe.
Ähnlich argumentierten CDU und Schill-Partei in Wandsbek im Falle zweier Initiativen, die sich gegen die Bebauung auf der grünen Wiese am Wohldorfer Wald und in Bergstedt wehrten. Der Senat führte als Rechtfertigung für sein Eingreifen das Leitbild Wachsende Stadt an, nach dem die Einwohnerzahl auf zwei Millionen wachsen soll. Der Runde Tisch Walddörfer, ein Zusammenschluss von Initiativen, drohte an, die Dörfer im Nordosten würden sich „gegen demokratische Unverschämtheiten wehren, spätestens am Wahltag“.
Besonders spannend dürfte dieser in Altona werden, wo eine rot-grüne Koalition bei der vorigen Wahl durch ein Patt zwischen Schwarz-Schill und Rot-Grün mit der FDP als Zünglein an der Waage abgelöst wurde. Die FDP stimmte der Wiederwahl des SPD-Bezirksamtsleiters Jürgen Hornauer zu, der von Justizsenator Roger Kusch (CDU) nicht ernannt wurde, weil er sich bei einem Immobiliengeschäft zu spät für befangen erklärt hatte. Jetzt stellt die FDP mit Hinnerk Fock den Bezirksamtsleiter. Inhaltlich glänzten die Mitte-Rechts-Parteien im Bezirk durch die Schaffung von Parkplätzen zu Lasten des Fahrradverkehrs. Zumindest auf gesamtstädtischer Ebene spielt das Thema Verkehr bei den Wählern nur eine geringe Rolle.
Auch in Eimsbüttel und in Harburg ernannte Kusch die Ende vergangenen Jahres wiedergewählten Bezirksamtsleiter Jürgen Mantell und Bernhard Hellriegel (SPD) nicht – mit dem Hinweis auf die vorgezogene Neuwahl. In Harburg scherte die damalige Partei Rechtsstaatlicher Offensive aus der Rechtskoalition aus, während ihre Abspaltung FHO erfolglos mit der CDU stimmte. In Eimsbüttel verfügt Rot-Grün wie in Nord über die Mehrheit.
In Mitte schwächte die 2001er Wahl die Koaliton aus SPD und CDU auf eine „punktuelle Zusammenarbeit“ ab, mit dem Effekt, dass der Bezirk die Senatspolitik torpedierte: Es fand sich eine Mehrheit gegen die Bebauung des Rosengartens in Planten un Blomen, gegen den von Mettbach aus dem Hut gezauberten Koons-Entwurf für den Spielbudenplatz und gegen eine Altholz-Verbrennungsanlage in Billbrook.