: Epoche der Vernunft beendet
Der 1.FC Köln nähert sich zielstrebig der Zweiten Liga. Hinter den Kulissen sorgt der vereinsinterne Machtkampf für schlechte Stimmung. Der ewige Kölner Wolfgang Overath wird ins Spiel gebracht
AUS KÖLN DANIEL THEWELEIT
Die Epoche der Vernunft könnte man jene Ära nennen, die dieser Tage zu Ende geht. Es war nur ein kurzer Abschnitt in der bewegten Geschichte des 1. FC Köln, der nach dem 1:3 gegen 1860 München unbeirrt Richtung Zweite Liga strebt. Und wie immer, wenn es dem Klub schlecht geht, rufen die Mächtigen der Stadt nach Wolfgang Overath. Vor zwei Jahren bat Medienmogul Alfred Neven du Mont den Weltmeister von 1974 fast demütig um Hilfe, und nun ist es der Verwaltungsrat des Klubs, ein Kreis um Helmut Haumann, den Chef des Energieunternehmens GEW, der Overath ins Spiel bringt. „Er soll an der Seite von Andreas Rettig den sportlichen Bereich abdecken“, sagte Haumann, die graue Eminenz des Kölner Sports, im Express.
Das wäre eine gravierender Einschnitt in die Kompetenzen von Rettig. Mittelfristig jedoch, so spekulieren die Lokalzeitungen, habe Overath das Amt des Präsidenten im Visier, für das Albert Caspers, 71, der amtierende Klubchef, eigentlich Karl-Heinz Thielen einen weiteren ehemaligen Spieler aus erfolgreichen Zeiten im Sinn hatte. Zudem soll Overath mit Stephan Engels, Hannes Löhr und Jürgen Glowacz diverse Verbündete mit in den Klub bringen wollen – es tobt also ein ausgewachsener Machtkampf hinter den Kulissen beim Tabellenletzten. Overath liegt ein Angebot vor, er will heute seine Entscheidung bekannt geben. Kölnische Verhältnisse, wie man sie aus den dunkelsten Jahren kennt, sind das. Und sportlich haben sie – wie solcherlei Vorkommnisse es so an sich haben – erst einmal destruktiv gewirkt.
Mit 0:3 lagen die Kölner nach 39 Minuten gegen 1860 München zurück, und im RheinEnergie-Stadion standen die Fans in Scharen auf und gingen empört nach Hause. „So kann man nicht spielen, da fehlte alles“, fasste Thomas Cichon die ersten 45 Minuten zusammen, und Trainer Marcel Koller ergänzte: „Keiner wollte den Ball, jeder ist davon gelaufen, keiner hat Verantwortung übernommen.“ Besonders unglücklich agierte Carsten Cullmann, der seinen Gegenspieler Markus Schroth zunächst nach einem Freistoß zum 0:1 einköpfen ließ (14.), dann im Strafraum foulte (36.), woraufhin Benjamin Lauth den Elfmeter verwandelte und schließlich Schroth genug Raum ließ, eine Hereingabe zum 0:3 zu vollenden (39.). Dass es in der zweiten Halbzeit besser wurde, Andreij Voronin ein schnelles 1:3 gelang (50.) und danach Möglichkeiten vorhanden waren, zumindest noch zum Ausgleich zu kommen, half am Ende nicht weiter. Im Gegenteil. Angesichts der vielen Chancen wurde erneut kritisiert, dass im Winter drei Mittelfeldspieler und kein Torjäger verpflichtet wurden.
Rettig wird seit Wochen vorgeworfen, nicht etwa Ioannis Amanatidis, der für den Konkurrenten Frankfurt ein Tor nach dem anderen erzielt, geholt zu haben. Nach der Niederlage vom Wochenende verteidigte er sein Handeln erneut: „Hier wird Amanatidis für das Versagen eines Managers angeführt, aber wenn 18 Vereine Personalpolitik betreiben, dann ist auch ein Volltreffer dabei. Im Winter, wenn jeder seine Haut retten will, dann werden genau die Fehler gemacht, die am Ende dazu führen, dass Vereine wirtschaftlich am Abrund stehen.“ Dieses Schicksal wird dem FC erspart bleiben, glücklich werden sie aber kaum darüber sein, wenn in der kommenden Saison wieder Zweitligafußball gespielt wird. Das soll nun Wolfgang Overath verhindern, nur wie das gehen soll, konnte bislang noch niemand sinnig erklären. „Da müssen sie ihn selber fragen. Sicher nicht mehr als Spieler“, meinte der sichtlich angeschlagene Rettig und Trainer Koller befand vage: „Ein Mann mit so einer Fußball-Erfahrung, kann dem Verein nicht schaden.“ Einen gab es aber doch, der eine Idee hatte, wie man den Klassenerhalt noch schaffen kann. Dirk Lottner verkündete entschlossen: „Jetzt müssen wir auch mal Punkten, wenn keiner damit rechnet. Es gibt noch zwölf Spiele, fertig ab.“