piwik no script img

Archiv-Artikel

Kompetent, aber erfolglos

Thomas Mirow ist brillant in der Debatte. Im Wahlkampf blieb er trotzdem hölzern

HAMBURG taz ■ Eine schmerzhaftere Niederlage hat noch kein SPD-Kandidat in Hamburg erlitten: Aber ein besseres Ergebnis hatte Thomas Mirow kaum erwarten können. Zu blass war im Wahlkampf geblieben, zu heftig hatte aus Berlin der Gegenwind geblasen. Seriosität und seine Sachkompetenz jedoch wurden ihm selbst von politischen Gegnern niemals in Abrede gestellt. Nur Qualitäten als Entertainer hat er sicher nicht. Das Bad in der Menge wird seine Sache nie werden, der Charme seines Kontrahenten Ole von Beust ist ihm nicht eigen.

Die Stärken des in Paris geborenen Diplomatensohns sind Analysen und Argumente, am Verhandlungstisch fühlt er sich am wohlsten, brillant ist er in der Debatte. Der Politikwissenschaftler, der als 22-Jähriger über die „Europapolitischen Konzeptionen Charles de Gaulles“ promovierte, pflegt druckreif zu formulieren. Doch gerade deshalb wirkte Mirow im Wahlkampf bis zuletzt immer etwas hölzern. Nicht selten wird seine ruhige Souveränität als Blasiertheit ausgelegt, zum Medienstar taugt er wahrlich nicht. Mitte der Siebzigerjahre begann Mirow seine Karriere in der SPD als Assistent und Büroleiter Willy Brandts, den er bis heute verehrt. Seit 1983 agiert er in der Hamburger Politik, zunächst als Senatssprecher von Bürgermeister von Dohnanyi. Chef der Senatskanzlei wurde er unter dessen Nachfolger Voscherau. Als Senator für Stadtentwicklung erwarb sich der pragmatische Mirow Mitte der Neunzigerjahre erste Meriten bei der Lösung des Konflikts um die Hamburger Hafenstraße.

Als Wirtschaftssenator der rot-grünen Koalition 1997 bis 2001 stand er im Ruf des Technokraten, der Standortinteressen wie Elbvertiefung und Erweiterung des Airbus-Werks gegen grüne Fortschrittsfeindlichkeit durchsetzte. Entsprechend wohlgelitten ist Mirow, der die beiden letzten Jahre als freier Unternehmensberater tätig war, bei der mächtigen Hamburger Handelskammer. Bei den Grünen hingegen ruft er, der Gattin und zwei Töchtern im gutbürgerlichen Stadtteil Winterhude wohnt, wenig Euphorie hervor.

Lange galt der gewiefte Taktiker als Genosse ohne typisch sozialdemokratischen Stallgeruch. Zum Spitzenkandidaten nominierte ihn die Partei in der Erwartung, er sei der personifizierte Gegenentwurf zum präsidialen Beust und zum unhanseatischen Schill. Die Hoffnung trog.

SVEN-MICHAEL VEIT