: Sirenen neu im Kirchenchor
Remake/Remodel: Wenn einem überhaupt nichts mehr einfällt, kann man immer noch die alten Geschichten umschmieden. In einer Ringvorlesung verfolgt man die „Mythenkorrekturen als schöpferisches Prinzip der europäischen Literatur“
Mythen? Das sind die alten Zöpfe, an denen man sich in Sachen Weltdeutung durch die Geschichte hangelt. Und dann sind diese meist schauerlich gefärbten Geschichten aus antiker Provenienz auch prima Grundvokabular, das sich zu immer neuen Stories zusammensetzen lässt. In der Ringvorlesung des Seminars für Klassische Philologie (so klingt’s abtörnend) widmet man sich den „Mythenkorrekturen als schöpferisches Prinzip der europäischen Literatur“ (das hört sich wieder spannend an). Da wird geguckt, wieso man sich diesen geknechteten Sisyphos partout als Glückspilz vorstellen soll. Heute aber nimmt sich im Hörsaal 1 b der Rostlaube Christoph Markschies von der Uni Heidelberg Odysseus und Orpheus in ihrer christlichen Reinterpretation vor. In Sachen Mythos zeigte sich das Christentum sowieso als geschickter Allesverwerter, und von der Irr- zur Kreuzfahrt ist es auch nur ein Paddelschlag. Schon hätte man den bedrängten Odysseus als Kreuzfahrer leicht derangiert in die christliche Crew aufgenommen.