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Archiv-Artikel

Ho Chi Minhs „unehelicher Sohn“

Nong Duc Manh ist nicht nur Vietnams KP-Führer, sondern angeblich auch ein Sohn des legendären Ho Chi Minh

„Alle Vietnamesen sind doch Ho Chi Minhs Kinder.“ Mit diesen Worten reagiert Nong Duc Manh auf das Gerücht, er sei ein unehelicher Sohn des vietnamesischen Revolutionshelden. Denn Manh sieht diesem verblüffend ähnlich. Und zumindest in Vietnam liebt er es, sich öffentlich in mausgrauen und dunkelblauen Anzügen im 50er-Jahre-Look zu zeigen und seine Bescheidenheit zur Schau zu stellen. Ganz wie einst Ho Chi Minh.

Als Generalsekretär der vietnamesischen KP ist Manh der wichtigste Repräsentant des sozialistischen Staates, in dem die KP die einzige legale Partei ist. Manh ist nicht unbeliebt. Die „Wahl“ des studierten Forstwirts, der zuvor Parlamentspräsident war und dem Reformflügel seiner Partei zugerechnet wird, galt 2001 als Aufbruch.

Dem 1940 in der nordvietnamesischen Provinz Bac Thai geborenen Mann traute man zu, das Land, das 1990 bis 1997 einen sagenhaften Wirtschaftsboom erlebte, aber seit der Asienkrise die Stagnation nicht überwunden hatte, wirtschaftlich wieder voranzubringen. Das ist ihm gelungen. Vietnam verzeichnet wieder ein Wirtschaftswachstum von sieben Prozent und gilt damit als ein interessanter Markt.

In Manhs Ära fallen auch spektakuläre Aktionen gegen die weit verbreitete Korruption. 2002 wurde einer Mafiagruppe in Ho-Chi-Minh-Stadt der Prozess wegen Rauschgifthandels, Mordes und Raubes gemacht. Unter den Angeklagten waren auch der Direktor des staatlichen Rundfunks Voice of Vietnam und der stellvertretende Generalstaatsanwalt. Erstmals wurde damit öffentlich, dass höchste Parteifunktionäre in die Korruption verstrickt sind. Doch den Wurzeln der Korruption ging der KP-Chef bisher kaum.

Mit Manh bekleidet zum ersten Mal ein Angehöriger einer ethnischen Minderheit das höchste Amt in der KP. Die Wahl des ethnischen Tay galt als Versöhnungsangebot an die 54 Bevölkerungsgruppen im Land. Ein solches Zeichen hat Hanoi bitter nötig. Vor allem in der Kaffeeanbauregion im Zentralen Hochland hatte der Wirtschaftsboom zu schweren ethnischen und religiösen Konflikten geführt.

Zwei Monate bevor Manhs KP-Chef wurde, setzte Hanoi gegen die aufständischen christlichen Montagnards Militär ein und riegelte das Aufstandsgebiet von der Außenwelt ab. Doch diese Erwartungen in Richtung Versöhnung erfüllte Manh nicht. Besonders die ethnischen Minderheiten der Montagnards und der Hmong sind Opfer einer brutalen Unterdrückungspolitik. Internationale Menschenrechtsorganisationen sprechen inzwischen sogar von „Ausrottungspolitik“.

Auch in puncto Presse- und Meinungsfreiheit ging Vietnam unter der Führung Manhs eher einen Schritt zurück. Seit 2002 wurden mindestens elf Publizisten wegen „Beeinträchtigung der nationalen Sicherheit“ verhaftet. Neun von ihnen sollen im Internet Fakten über die Menschenrechtssituation zugängig gemacht haben, die Hanoi peinlich sind. MARINA MAI