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Archiv-Artikel

Gemeinsam für bessere Arbeitsbedingungen

Einzelhandel will einheitliche Standards für die Arbeit in Zulieferfirmen setzen. NGOs kritisieren die Stoßrichtung

BERLIN taz ■ Jetzt geht’s Ausbeutern und Kinderbeschäftigern an den Kragen. Das ist zumindest das Ziel, das sich eine Reihe deutscher Handelsunternehmen gemeinsam gesetzt hat. Die Metro-Gruppe, Karstadt-Quelle, Neckermann und der Otto-Versand haben sich auf einheitliche Sozialstandards geeinigt, die sie bei ihren Zulieferfirmen durchsetzen wollen.

Grundlage sind die Kernarbeitsnormen der Internationalen Arbeitsorganisation, die beispielsweise ein Verbot von Zwangs- und Kinderarbeit, Sicherheits- und Gesundheitsstandards sowie ein Höchstmaß von zwölf Überstunden pro Woche vorsehen. Das Projekt führt die Außenhandelsvereinigung des Deutschen Einzelhandels zusammen mit der Gesellschaft für Technische Zusammenarbeit (GTZ) in elf Ländern Asiens und Osteuropas durch. In Workshops werden die größeren Zulieferfirmen unter Mitwirkung nationaler Behörden, NGOs und Gewerkschaften in das neue System eingeweiht. Allein in China werden etwa 1.000, insgesamt rund 3.000 Firmen geschult. Diese würden wiederum verpflichtet, auch von ihren Lieferanten die entsprechenden Standards zu verlangen, erklärt GTZ-Projektleiter Peter Kocks. „So wird ein Vielfaches an Firmen in die Standards einbezogen.“

Bei der „Kampagne für saubere Kleidung“ (CCC) ist man da skeptisch: „Die Lieferkette geht nach unten unbeschränkt weiter – bis zur Heimarbeit“, so CCC-Geschäftsführer Maik Pflaum. Zudem setzten knappe Lieferfristen und kurzfristige Verträge die Lieferanten unter Zeit- und Kostendruck. „Die Einkaufspraxis der Handelsfirmen hat sich überhaupt nicht verändert“, kritisiert Pflaum. Aufträge, nach denen binnen zwei Wochen zehntausend Polohemden zu liefern seien, zwängen die Firmen zur Ausbeutung. Die Entwicklungsorganisation Oxfam fordert deshalb längerfristige Verträge. Sprecher Jörn Kalinski: „Man muss Druck wegnehmen.“

Rund 3 Millionen Euro lässt sich das Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit (BMZ) das Projekt im Rahmen des Programms Privat Public Partnership kosten. Im Vordergrund steht dabei die Einführung von grundlegenden Sicherheitsstandards an Maschinen sowie Notausgängen. Oft gebe es nicht einmal Erste-Hilfe-Koffer, so BMZ-Bereichsleiterin Ulrike Haupt. Hauptproblem sei aber die unbezahlte Mehrarbeit: In vielen Betrieben werden Überstunden gar nicht erfasst – und das, obwohl in China offiziell die 40-Stunden-Woche gilt.

Unabhängige, meist internationale Kontrollstellen sollen künftig alle drei Jahre die Einhaltung der Standards überprüfen. Bisher mussten sich die Lieferanten von jedem Abnehmer einzeln kontrollieren lassen. Das führte zu mehreren Kontrollen pro Jahr, die sie selbst zu finanzieren hatten. Wenn sie die Einheitsstandards einhalten, sparen sie in Zukunft also sogar. Nur Betrieben, die wiederholt gegen die Standards verstoßen, droht der Abbruch der Geschäftsbeziehungen. „Unser Ziel ist es nicht, ganze Familien ins Elend zu stürzen“, erklärt GTZ-Mann Kocks. Für die meisten Arbeiter seien Zulieferfirmen einzige Einnahmequelle.

Für den Einzelhandel bringt die Vereinbarung vor allem Vorteile. Die Unternehmen haben Zugriff auf einen Pool an Lieferanten, von denen sie sagen können, dass diese die Arbeitsnormen einhalten. Und außerdem muss sich dann kein Unternehmen mehr sagen lassen, dass es bei den Sozialstandards mehr schlampe als die Konkurrenz. Denn das ist das wichtigste Ziel hinter der Absprache: gemeinsam sicher zu sein vor einem negativen Image beim Verbraucher. DANIELA ENGLERT