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silke burmesterFür ihren Kopf, nicht für ihren Körper

Wenn alte Hasen ihre Schäfchen im Trockenen haben, dann machen sie neuerdings neue Zeitschriften. Das ist gut.

Jetzt drehen die Alten völlig durch. Kaum, dass die Wunden des täglichen Aufriebs verheilt sind, drängen adoleszente Flausen ins Neonlicht der Bürolampe. Ehemalige Chefredakteure oder Artdirektoren halten das, was andere Ruhestand nennen, einfach nicht aus. Statt Golfen zu gehen, Rosen zu züchten oder sich in Tansania Nashörner vor die Flinte treiben zu lassen, entwickeln und gründen sie neue Zeitschriften. Männer, die ihre juvenile Kraft in führende Magazine oder Zeitungen gesteckt haben, wollen jetzt Qualität machen. Oder zumindest etwas mit Anspruch. So wie den New Yorker. Oder Transatlantik. Oder beides zusammen. Denn hatten sie früher starke Verlage wie Gruner + Jahr, Springer oder Burda im Rücken, so war doch nie Zeit, ein Heft zu machen, dass tiefer geht als das Elbwasser bei Flut.

In einem Alter, wo andere Herren damit zufrieden sind, mit einem alten Kaschmirpulli den Kühler ihres Bentley zu polieren, drängt es die Macher, einen Beitrag zum gesellschaftlichen Diskurs zu leisten. Anerkannt zu werden für ihren Kopf, nicht für ihren Körper.

Ausgesorgt haben sie. Ihr Name und ihr Bankkonto erlaubt ihnen den idealistischen Glauben daran, ein intelleigentes Blatt für politische Themen könnte Gehör finden. Man kann das Altersnaivität nennen. Weichheit. Oder Senilität.

Alles Mumpitz. Diese Jungs haben nichts zu verlieren. Sie stehen mit dem Rücken zur Wand. 20 Jahre, höchstens. Also gehen sie noch einmal in die Vollen, genießen ihren Alpha-Status und verwirklichen den unter Journalisten weit verbreiteten Traum vom anspruchsvollen Heft.

Das ist gut. Weil auf einmal Publikationen zur Verfügung stehen könnten, die über den gängigen Fastfood-Journalismus hinausgehen. Entsprechend legen die ambitionierten Projekte von Althasen wie Werner Funk (Ex-Stern) oder Wolfgang Weimer (Ex-Welt) den Verdacht nahe, dass es nicht genug öffentlichen Diskurs gibt. Das mag sein. Das wäre auch scheiße. Aber Hoffnung ist „on it’s way“. Denn in einer allmählich überalternden Gesellschaft sollten die Alternden unbedingt Zeitung machen, anstatt abzutreten. Alle. Es sind schließlich auch ein paar wunderbar wirre Köpfe darunter.

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