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Archiv-Artikel

Der Rock-Albtraum des ehemaligen KGB

Die russische Band DDT ist zum ersten Mal auf Deutschlandtournee. Erst nach der Machtübernahme durch Michail Gorbatschow konnte ihre LP „Ich habe diese Rolle erhalten“ zur Hymne eines Landes im Umbruch werden

„Wir sind nie eine politische Band gewesen, aber wir sind unserer Bürgerpflicht immer sehr treu geblieben.“ Das sagt Jurij Schewtschuk. Er ist der Gründer und Kopf der russischen Band DDT, einer Rock-Legende in Russland und in den einstigen Republiken der Sowjetunion. Angesichts ihrer brisanten Geschichte wirkt solch ein Zitat komisch harmlos. Denn sie waren einer der Rock-Albträume, die den KGB in den Achtzigern heim gesucht hatte.

Für die Menschen in der Sowjetunion dagegen waren und sind DDT das „Gewissen Russlands“. Wenn die Band heute singt, kommen schon mal 120.000 Menschen zu einem Konzert. Ihre Konzept-Shows sind energetisch und schweißtreibend, musikalisch balancieren sie zwischen Folk, Rock und Hardrock. Bis heute haben DDT rund 30 Millionen Exemplare ihrer 20 Platten, CDs und Kassetten verkauft, offiziell. Inoffiziell seien es wohl hunderte Millionen, sagt Andrej Muratov. Er war von 1987 bis 1992 der Keyboarder der Band und lebt heute in Mülheim an der Ruhr. Seit fünf Jahren hat er daran gearbeitet, DDT nach Deutschland zu holen. Muratov kann viele Geschichten erzählen aus dem Paralleluniversum, das die Rockmusik in der Sowjetunion zwischen Keller und Bühne führen musste: „Einmal waren wir in Ufa. Und für ein Lied zeigten wir unsere Erlaubnis aus Petersburg. Doch der zuständige Herr sagte: Ufa ist nicht Petersburg.“ Folglich durfte der Song in der Provinzstadt des westlichen Ural nicht gespielt werden. Das änderte sich erst 1986 – als Michail Gorbatschow befand, dass Perestrojka auch heiße, die Sowjetunion rocken zu lassen.

DDT spielten während des ersten Tschetschenienkrieges für russische Soldaten – und tschetschenische Rebellen in Grosny. “Er hat schon was genialisches“, sagt Muratov über seinen Freund Schewtschuk. Von Kritikern wird der gern als Bob Dylan Russlands bezeichnet, seine Lieder gehören zum Kultur-Kanon, wie die Gedichte Puschkins. Schewtschuk putzte, kellnerte und spielte im legendären „Leningrad Rock Club“, der allerdings vom KGB gegründet worden war, um die rebellische Jugend unter Kontrolle zu halten. Bis Gorbatschow kam. DDTs Platte „Ich habe diese Rolle erhalten“ wurde zur Hymne eines Landes im Umbruch. Sie verkaufte sich rund acht Millionen Mal. Für die Band gab es fast 15 US-Dollar und ihre Rechte mussten sie komplett abtreten – die Perestrojka forderte ihre Opfer. Während andere Rockmusiker mit der neuen Freiheit nicht zurecht kamen, und sich umbrachten, schafften DDT neben Aquarium von Boris Grebentschikow den Sprung zur Superband – in der neuen Freiheit. 1988 gründeten sie ihr eigenes Label und landeten ein Hit-Album nach dem anderen.

Auf ihrer Deutschland-Tour werden DDT vor allem ihre größten Hits spielen, drei Stunden soll jedes Konzert dauern – „live natürlich“, sagt Muratov. Das Konzert-Programm wurde für die 300-Jahr-Feier von Petersburg kreiert. „Zwei von zehn Kartenbestellern sind Deutsche“, wundert sich Konzert-Manager Muratov über das Interesse. Künftig will der studierte Pianist des Leningrader Konservatoriums andere große russische Rockbands nach Deutschland holen. „Früher hat sich der Osten zum Westen geöffnet“, sagt er. „Und heute öffnet sich der Westen zum Osten.“ INGO PETZ

DDT Sonntag, 7.März, 20:00 UhrTheater am Tanzbrunnen, KölnTickets: 0221-2977332