: Ein Feuer im Kneipenkiez
Der Streit um eine Sperrstunde im Szenekiez von Friedrichshain spitzt sich zu. Nun haben Unbekannte das Auto einer Anwohnerin angezündet, die gegen den Kneipenlärm geklagt hat. Selbst die Wirte sehen einen Zusammenhang
Bislang waren es nur zugeklebte Schlüssellöcher und Fäkalien im Keller – nun sind es brennende Autos. Unbekannte haben in den frühen Morgenstunden am Mittwoch in der Kopernikusstraße einen VW-Passat angezündet. Das Auto stand im Hinterhof, der nebenstehende Pkw fing ebenfalls Feuer. Zudem zogen die Täter den Benzinschlauch vom Vergaser eines Motorrads, das auf der anderen Seite des Hofs stand. Die Polizei geht von gezielter Brandstiftung aus. Denn betroffen ist Helke S., prominenteste Vertreterin der Anwohnerinitiative „Die Aufgeweckten“, die seit Jahren für mehr Ruhe im Friedrichshainer Kneipenkiez kämpft.
Erst drei Tage zuvor hatte sie vor laufender Kamera gesagt, dass sie sich auf keine Verhandlungen mit den Kneipenwirten mehr einlassen werde. Zu lange hätten sich die Anwohner auf Kompromisse eingelassen, an die sich die Wirte nicht gehalten hätten, sagt Helke S. Vor einem Jahr setzte sie durch, dass nach 22 Uhr in der Simon-Dach-Straße draußen kein Bier mehr ausgeschenkt werden darf. Am Boxhagener Platz vereinbarten die Kneipiers mit den Anwohnern eine Öffnungszeit ihrer Biergärten bis 23 Uhr wochentags und 24 Uhr am Wochenende.
Diese Regeln wurden aber nur halbherzig befolgt. Viele Kneipiers ließen ihre lautstarken Gäste trotzdem im Freien gewähren. Mitte April reichte S. eine Klage auf einstweilige Verfügung ein und forderte eine Sperrstunde um 22 Uhr für den gesamten Kiez. Von ihrer neuen Klage hat anscheinend irgendein Wirt mitbekommen. Der sei dann „ausgetickt“, vermutet die Betroffene. Und sie hat auch schon einen Verdacht: Ein Mann aus dem Umfeld einer bestimmten Kneipe habe sie mal auf der Straße angesprochen und ihr nahe gelegt, den Kiez zu verlassen. „Ich werde der Polizei alles sagen, was ich weiß“, kündigte Helke S. an.
Selbst die Kneipiers in der Simon-Dach-Straße sehen einen Zusammenhang zwischen dem Brandanschlag und dem Streit um die Sperrstunde. Michael Näckel, der Sprecher der Wirte im Friedrichshainer Südkiez, distanzierte sich von dem Anschlag. „Das ist eine absolute Sauerei“, sagt Näckel. Mit der Tat will er nichts zu tun haben. Auch nicht ein Mitarbeiter der Kneipe Galileo. Er habe erst einen Tag später von dem Anschlag mitbekommen und kann sich auch nicht vorstellen, wer so etwas „Abscheuliches“ tun würde.
Der Streit um eine Sperrstunde im Szenekiez um den Boxhagener Platz läuft schon seit mehreren Jahren. 110 Kneipen tummeln sich in diesem Wohngebiet. Wie ein Anwohner berichtet, überschreitet der Lärmpegel in lauen Sommernächten die Richtwerte um durchschnittlich 25 Dezibel. Dann sei es auf der Simon-Dach-Straße lauter als in einer Disko. Er habe deswegen bereits in die Nachbarstraße ziehen müssen. FELIX LEE