„Ich bin nicht begeistert über diesen Posten“

Das Zentrum für Gender Studies an der Karls-Universität in Prag wird von einem Mann geleitet. Wider Willen. Denn Petr Pavlíks Kolleginnen sind zu Studienaufenthalten ins Ausland gefahren. Und Frauen in hohen akademischen Posititionen sind in Tschechien Mangelware

taz: Herr Pavlík, wie konnte es dazu kommen, dass ein Mann den Bereich Gender Studies an der Prager Karls-Universität leitet?

Petr Pavlík: Das Zentrum für Gender Studies an der Philosophischen Fakultät der Karls-Universität leitet ein Mann, weil meine beiden Kolleginnen vor zwei Jahren zu Studienaufenthalten ins Ausland gefahren sind. Ich blieb allein hier. Es war notwendig, die Funktionen des Zentrums am Laufen zu halten. Daher wurde ich zum Leiter ernannt. Und der bin ich bis heute, weil das der Akademische Rat des Zentrums so entschieden hat, nachdem die ehemalige Leiterin angekündigt hat, ihre Tätigkeit bei uns einzuschränken. Ich habe die Leitung in der Annahme übernommen, dass es sich um eine vorübergehende Sache handelt. Und ich war alles andere als begeistert darüber, länger den Posten zu besetzen. Aber es war einfach nötig, dass das jemand übernimmt.

Würden Sie sich als Feminist bezeichnen?

Richtig müsste es wohl heißen: „Sind Sie Feministin“, und die Antwort ist, dass es darauf ankommt, wer sich was unter so einem Etikett vorstellt. Zum Feminismus gehört ziemlich viel, ebenso wie zu den Traditionen der feministischen Theorie.

Was also verstehen Sie unter dem Begriff Feminismus?

Meist verspüre ich den Drang anzumerken, dass es den einen Feminismus gar nicht gibt, sondern eine ganze Reihe von Feminismen. Und das ist gut so, denn Komplexität, Dialog, Kontroverse und Kritik sind grundlegende und unabkömmliche Aspekte dieser Denk- und politischen Tradition.

Als Germaine Greer zu Beginn der Neunzigerjahre in Prag gesprochen hat, haben sie die Frauen hier ausgepfiffen. Warum wird hier der Feminismus als etwas Negatives gesehen?

Auf diese Frage haben unterschiedliche Menschen unterschiedliche Antworten. Eine ist, dass der tschechische Feminismus in den Medien seit Beginn der Neunzigerjahre negativ konstruiert worden ist, und dies hauptsächlich durch Männer, die aus dem Exil zurückgekehrt sind. Andere sehen die Wurzeln in 40 Jahren Kommunismus, während derer der Frau aufgezwungen wurde, dass sie gleichberechtigt ist – auch wenn sie es nicht wirklich war. Und zusammen mit dem Kommunismus lehnen die Frauen heute den Feminismus ab. Nichtsdestotrotz, die Situation in Westeuropa ist ähnlich, die gleiche Frage könnte man also auch Ihnen stellen.

Haben tschechische Frauen Angst vor Feministinnen?

Auf diese Frage sollten wohl Frauen antworten. Falls es so etwas wie einen spezifischen Frauenblick gibt, eine vereinheitlichte Sichtweise auf einen Sachverhalt. Das bezweifle ich allerdings stark.

Gibt es denn in Tschechien einen Mangel an Frauen in akademischen Positionen?

In Tschechien gibt es tatsächlich einen Mangel an Frauen in akademischen Positionen, und es gibt eine ganze Reihe Gründe dafür. Der Hauptgrund ist das gegenwärtig herrschende Geschlechtersystem in der tschechischen Gesellschaft. Dieses System benachteiligt mit einer Vielzahl von Mechanismen Frauen und es behindert sie auf dem Weg zu hohen akademischen Positionen. In der Tat müssen Frauen viel größere Hindernisse überwinden als Männer.

Konzentrieren Sie sich bei Ihrer Arbeit eher auf die Tschechische Republik oder aufs Ausland?

Ich konzentriere mich vor allem auf Tschechien. Konkret befasse ich mich mit Gleichstellungsfragen von Mann und Frau und mit der Rolle der Medien.INTERVIEW: ULRIKE BRAUN