: Phänomenal und grausam
Nach dem Aus im Viertelfinale der Eishockey-WM braucht die deutsche Mannschaft nur kurze Zeit,um zu begreifen, dass ihr Großes gelungen ist. Im Bus wird deshalb gesungen und geschunkelt
aus Helsinki CHRISTIANE MITATSELIS
Finnen sehen oft ein bisschen traurig aus. Das kennt man aus den Filmen von Aki Kaurismäki. Manchmal sind sie besonders traurig, so wie am späten Mittwochabend. Ganz Helsinki war bevölkert von Menschen, die kurz davor standen, in Tränen auszubrechen. Und das alles nur aus einem einzigen Grund: Finnland hatte bei der Eishockey-WM im Viertelfinale 5:6 gegen Schweden verloren. Nach einer 5:1-Führung! Das war wirklich sehr enttäuschend. Das Ziel des Team Suomi war der WM-Sieg.
Ein paar Stunden zuvor war auch Deutschland gescheitert. Im WM-Viertelfinale unterlag die Mannschaft von Bundestrainer Hans Zach mit 2:3 gegen Kanada. Der Siegtreffer für die Kanadier, die mit 22 NHL-Profis in Finnland unterwegs sind, fiel nach 37 Sekunden in der Verlängerung. So ging das Turnier für das deutsche Team im „sudden death“ zu Ende, im plötzlichen Tod. Das war bitter. Deutschland hatte im letzten Drittel zwar einen 0:2-Rückstand durch Tore von Lasse Kopitz und Daniel Kreutzer ausgeglichen, doch dann lief es wirklich dumm: Bei der WM in Finnland wird die Overtime nämlich erstmals nach NHL-Vorbild gespielt – und somit mit nur vier Feldspielern pro Team. Hinzu kam, dass Zachs Mannschaft wegen einer Zeitstrafe nur drei Cracks auf dem Eis hatte. Kanadier sind im Powerplay sehr gefährlich, Eric Brewer bewies das nach nur 37 Sekunden in der Verlängerung.
Eine Niederlage wie diese ist natürlich traurig und tut weh. Die deutschen Spieler standen, als es vorbei war, minutenlang regungslos auf dem Eis. Torhüter Robert Müller starrte auf den Videowürfel, schaute sich die Torszene immer wieder an – und schüttelte den Kopf. „So grausam kann Sport sein“, murmelte er. Später, als sie alle zusammen den ersten Schock überwunden hatten, wurde es doch noch recht lustig. „Schon auf der Busfahrt nach Helsinki haben sie gesungen und geschunkelt“, berichtete Übungsleiter Zach.
Die DEB-Cracks hatten ja auch allen Grund zu feiern. Zachs Team hat in Finnland phänomenal gut gespielt – und dafür auch so manches Lob von Trainern anderer Nationen eingesammelt. Auch von Andy Murray, dem Headcoach des Team Canada. „Deutschland war uns ein ebenbürtiger Gegner“, sagte der – und dabei lag ein leichtes Staunen in seinem Blick. In der Tat war es frappierend zu sehen, wie sich die deutsche Mannschaft von Spiel zu Spiel verbesserte bei dieser WM. Nach Anlaufschwierigkeiten beim 5:4 gegen Japan schlug Deutschland die Ukraine locker mit 3:1 sowie Österreich noch lockerer mit 5:1. Früher waren solche klaren Siege gegen die „Kleinen“ nicht selbstverständlich. Hinzu kam ein 2:2 gegen Gastgeber Finnland, selbst in den Begegnungen gegen die Topteams Tschechien (0:4) und Slowakei (1:3) konnte die deutsche Mannschaft zumindest mithalten. Was diese Ergebnissse noch wertvoller macht: Sie kamen unter widrigen Umständen zustande. Die Verletztenliste im deutschen Team wurde immer länger, aus der NHL war gleich gar niemand dabei.
Wie groß der Erfolg wirklich ist, drückt sich auch in Zahlen aus: Deutschland scheiterte zwar zum dritten Mal hintereinander im Viertelfinale, zum ersten Mal überhaupt aber brachte es ein deutsches Team auf ein ausgeglichenes Torverhältnis bei einer WM. Franz Reindl, der DEB-Sportdirektor, findet solche Fortschritte „schon fast unheimlich“. Und er weiß, wer dafür verantwortlich ist. „Hans Zach ist der beste Bundestrainer, den wir je hatten“, sagt Reindl. Zach habe einfach „ein Händchen dafür, eine gute Mannschaft zusammenzustellen“.
In Finnland war es offensichtlich, dass die deutschen Profis mit viel Spaß zusammenspielen. Ihre Mankos in der Technik glichen sie durch Kampfgeist und Einsatz aus. Zach wollte deshalb gar nicht mehr aufhören, „Zusammenhalt, Willen und die Einsatzbereitschaft“ seines Teams zu preisen. „Ich bin stolz auf dieses Team“, sagte er – immer wieder. Dann machte sich Zach auf den Weg zum Flughafen. Den Sommer wird der Mann aus Bad Tölz in der bayrischen Heimat verbringen. Angeln, Bergwandern und Mountainbiken stehen auf dem Programm. Er werde aber auch gleich wieder arbeiten, sagt Zach. Und zwar daran, „dass das deutsche Eishockey im nächsten Jahr noch besser wird“.