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Archiv-Artikel

Statt Unternehmen sollen Beschäftigte zahlen

Wirtschaftsverbände wollen die Gewerbesteuer abschaffen und durch eine höhere Einkommensteuer ersetzen

BERLIN taz ■ Den meisten Kämmerern deutscher Städte wird schlecht, wenn sie ihre Steuereinnahmen betrachten. Von wenigen Ausnahmen abgesehen, zahlen die Unternehmen weit weniger Gewerbesteuer als noch vor Jahren. Während 1992 noch 33 Milliarden Euro in die kommunalen Kassen flossen, waren es 2002 nur noch rund zwei Drittel davon. Die Folge: Viele Städte sind pleite – Straßen, Schulen und Wasserleitungen verkommen. Die rot-grüne Bundesregierung ist angetreten, diesen Missstand zu beseitigen – doch nun gerät auch dieses Projekt in Turbulenzen.

Heute liefert die von der Bundesregierung eingesetzte Kommission zur Reform der Gemeindefinanzen ihren entscheidenden Zwischenbericht ab, der der taz vorliegt. Die Schönheitsfehler: Die Komissionsmitglieder konnten sich nicht auf einen Vorschlag einigen. Und sowieso hat die Union angekündigt, eine schnelle Reform im Bundesrat aufhalten zu wollen.

Der eine der einander ausschließenden Kommissionspläne stammt vom Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI) und vom Verband der Chemischen Industrie (VCI). Die Vertreter der Wirtschaft plädieren dafür, die vornehmlich von großen Unternehmen gezahlte Gewerbesteuer abzuschaffen und durch einen höheren Anteil der Städte an der allgemeinen Einkommensteuer zu ersetzen. Dadurch würde die Wirtschaft entlastet, und die Beschäftigten müssten einen höheren Anteil an den kommunalen Steuern entrichten. Während ihr Beitrag heute bei 47 Prozent liegt, will der BDI ihn auf 63 Prozent erhöhen. Zudem würde das Steueraufkommen insgesamt sinken.

„Das ist völlig indiskutabel“, sagt die Geschäftsführerin des Deutschen Städtetages, Monika Kuban. Zusammen mit anderen kommunalen Spitzenverbänden will sie die Gewerbsteuer nicht schrumpfen, sondern ausweiten. Um den Gemeinden eine stabilere finanzielle Basis zu verschaffen, sollen nicht nur Unternehmen, sondern auch Selbstständigen wie Ärzte und Rechtsanwälte Steuern zahlen. Die Gemeinden hätten so einige Milliarden Euro mehr zur Verfügung als heute.

Die Kommission hat damit nur teilweise das geleistet, was Finanzminister Hans Eichel (SPD) sich erhoffte. Nun muss er selbst entscheiden – und tendiert eher zum Vorschlag der Kommunen. Wenn er den Zeitplan der Regierung einhalten will, müsste ein rot-grüner Gesetzentwurf bis zur Sommerpause fertig sein.

Eine weitere Unwägbarkeit bildet freilich die Haltung die Union. Obwohl einige unionsregierte Länder den Vorschlag des Städtetages bevorzugen, wird das Projekt im Bundesrat möglicherweise gestoppt. Um Rot-Grün keinen großen Erfolg zu gönnen, rät die Unionsspitze zu Übergangslösungen. Die große Reform soll erst später kommen.

HANNES KOCH