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Archiv-Artikel

Auf die Verpackung kommt es an

Die Medienkrise (Teil 4, Schluss): Der moderne Verleger ist ein kühler Rechner. Publizistisches Streben treibt ihn nur bedingt um

von STEFFEN GRIMBERG

Es war einmal ein Mann, der hieß Leo Kirch. Das heißt, es gibt ihn noch. Er sitzt weiter jeden Tag in seinem Privatbüro in der Münchner Innenstadt und arbeitet. Nicht weil er das finanziell nötig hätte, immerhin ist der alte Herr schon 76 und trotz Milliardenpleite immer noch ganz schön reich. Sondern weil er – Millionenverluste hin oder her – den Medienmarkt weiter mitgestalten will.

Großes hatte er vor: Viel „Fallholz“ machte er im deutschen Pressewald aus. Er, Kirch, wolle sich nun daran beteiligen, daraus „Bauholz“ zu machen, vertraute er in einem seiner wenigen Interviews vor zwei Jahren der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung an. Und sagte dem deutschen Zeitungsmarkt tief greifende Umwälzungen und einen weiteren Konzentrationsschub voraus.

Wie sich heute zeigt, hatte Kirch mal wieder Recht, wenn auch mit einem kleinen Schönheitsfehler: Die Sache mit dem „Bauholz“ hatte sich für ihn, der mit seinem Kerngeschäft Fernsehen baden ging, ziemlich bald erledigt. Und auch der schöne Batzen Springer-Aktien, den Kirch so gern nutzte, um Verlegerwitwe Friede zu ärgern, gehört längst der Deutschen Bank.

Den Umbau der deutschen Zeitungslandschaft bestimmen andere. Springer zum Beispiel. Und Holtzbrinck. Oder die Herren von der Südwestdeutschen Medienholding (SWMH) aus Stuttgart, die schon mal kleine Millionen-Euro-Spritzen an notleidende überregionale Blätter wie die Süddeutsche Zeitung verteilen. Gegen Gegenleistungen, versteht sich: In der Münchner Sendlinger Straße hat ab sofort die SWMH das Sagen. Neben den Beratern, von Roland Berger und den anderen Instituten.

Gemeinsam ist ihnen vor allem eins: Sie reden von „Konzentration aufs Kerngeschäft“, von „Synergieeffekten“ und nicht zufrieden stellenden Umsatzrenditen – kurz: vom lieben Geld. Allen Sonntagsreden über redaktionelle Verantwortung und Unabhängigkeit zum Trotz werden so Zeitungen zu Zahnpasta: Auf die Verpackung kommt es an, aus Inhalten wird bloße Ware.

Mit der traditionellen Vorstellung vom Verleger, den neben der Gier nach dem schnöden Mammon noch ein höheres, weil publizistisches Streben treibt, hat das nichts mehr zu tun. Selbst Springer, vom Verlagsübervater neben der wirtschaftlichen zur weltanschaulichen Mission verpflichtet, droht schlapp zu machen: Die Welt, jenes finanziell wie publizistisch so anspruchsvolle und anstrengende Vermächtnis Axel C. Springers, scheint wegen anhaltender Verluste und daraus resultierender Sorge um den Börsenkurs der Springer-Aktie bedroht. Denn Redaktion ist teuer. Und der moderne Verleger ist zuallererst ein kühler Rechner. Im Originalton von Michael Grabner, ICE-Fahrer und Zeitungsvorstand des Holtzbrinck-Konzerns, liest sich das so: „Wir stecken in der Medienindustrie mitten in der großen, dritten Rationalisierungswelle. In der ersten Welle waren die schwere Technik, der Druck und die Weiterverarbeitung betroffen. In der zweiten Welle wurden dank der Computertechnik die Setzer und Metteure durch Gestalter am Computer ersetzt. In Relation zu allen anderen Kostenfaktoren sind damit die Kosten der Redaktion […] im Anstieg begriffen. Im klassischen Mediengeschäft ist damit bereits jetzt die gesamte kreative Leistungserstellung, also der Aufwand für Redaktion und Autorenhonorare, Bild und Grafik, der wichtigste Kostenblock.“ Und der muss runter, zumal in Zeiten, in denen anstelle von jährlichen Anzeigenzuwächsen Werbekrise herrscht.

Denn natürlich muss eine verlegerische Leistung bezahlbar sein. Nur: Rechnen lässt sich auf zwei Arten. Denn für echte VerlegerInnen steht neben der betriebswirtschaftlichen stets auch die publizistische Rendite.

Bisher erschienen: „Frisches Geld, dringend gesucht!“ (19. April); „König Kunde? Denkste! (26. April) und „Grillen und Schmetterlinge“ (3. Mai).