: Viele Retter, aber längst noch keine Rettung
Die Enquetekommission zofft sich, rauft sich aber wieder ein Stück zusammen. Parallel dazu arbeitet eine weitere Gruppe an Ideen, die Berlin aus der Misere bringen. Bindeglied ist der ehemalige Senator Volker Hassemer (CDU)
Sie soll das Land retten. Doch statt dabei voranzukommen, gab es gleich nach der ersten Arbeitssitzung der Enquetekommission „Eine Zukunft für Berlin“ Zoff und gestern ein Spitzentreffen bei Sibyll Klotz, der grünen Chefin des Gremiums. Ergebnis: Die Sitzungen sollen strukturierter und nutzbringender werden. Weiter im Raum ist jedoch der Vorwurf von CDU und FDP, SPD und PDS merke man an, dass sie an der Kommissionsarbeit keine Lust hätten. „Das ist natürlich Quatsch“, reagierte SPD-Fraktionschef Michael Müller. Parallel dazu werkelt eine kleine andere Arbeitsgruppe an Ideen für Berlin. Ihre These: Es mangelt an der Umsetzung vorhandener Ideen.
Kopf dieser vierköpfigen Arbeitsgruppe, die unter dem Dach der Adenauer-Stiftung arbeitet, ist der frühere CDU-Stadtentwicklungssenator Volker Hassemer. Zur Enquetekommission, der er ebenfalls angehört, sagt der CDU-Mann: Sie werde die Dinge nicht regeln, aber zumindest auf den Tisch bringen können. Deren Chefin Klotz hält nicht viel von paralleler Arbeit, will eine Verknüpfung. Hassemer soll in einer der nächsten Kommissionssitzungen von seiner Gruppe berichten.
Mit Hassemer arbeiten der Chef des Instituts für Zukunftsforschung und Technologiebewertung, Rolf Kreibich, Stefan Richter von der Projektstelle zur Agenda 21 und der Autor der Berlin-Studie, Klaus Brake. Von Kreibich war zuletzt eher bei der Initiative „Bürger gegen den Bankenskandal“ zu hören. Die richtet sich auch gegen Parteifreunde von Hassemer. Doch über den Exsenator sagt Kreibich: „Die große Koalition war schlimm – außer Herrn Hassemer.“
Ein gut 40 Zentimeter hoher Stapel Bücher und Berichte steht vor Kreibich, als die Gruppe sich vorstellt: Studien zu Berlin aus den vergangenen Jahren, von „Berlin 21“ bis zu den viele 100 Seiten starken Bänden der bis 2001 tagenden Enquetekommission zu einem nachhaltigen Berlin. „Es gibt kein Erkenntnisproblem, es gibt ein Handlungsproblem“, sagt Hassemer. Das mag er gar nicht als Kritik an den derzeit politisch Aktiven verstanden wissen. Die Botschaft ist vielmehr: Die Probleme ließen sich nicht allein über Politik und Verwaltung lösen. Der Ausweg: bürgerschaftliches Engagement.
Da aber sieht Kreibich Berlin weit hinten: „Völlig unterbelichtet“ sei Bürgerengagement in Berlin. „Ob Freiburg, Aachen, Heidelberg – da sieht das erheblich besser aus.“ Zwar gebe es viele Projekte, sagt Agenda-21-Mann Richter: „Das Problem ist, dass sie oft Inseln bleiben.“ Dabei hält Richter viel mehr für möglich und verweist auf die direkte Nach-Wende-Zeit in Ostberlin. „Jeder hat irgendwas gemacht, war in irgendeiner Initiative.“ Das sei wieder zu beleben: „Das Potenzial dazu schätze ich in dieser Stadt als absolut hoch ein.“
STEFAN ALBERTI