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Archiv-Artikel

Le Landpfarrär & Co

Operngala à la française: Ein Spagat zwischen Perlen und Konfusion. Neben meisterhaft gemeißelten Crescendi und Arien gab es das Problem: Es fehlte schlicht die Szene

Lawrence Renes am Prüfstein jeglicher Orchesterkultur: überwältigend

Richtig gut, dass die diesjährige Operngala des Bremer Theaters zu einem inhaltlich geschlossenen Abend wurde: „Vive la France“ hatte man sich für den „Galaabend der französischen Oper“ mit den Bremer Philharmonikern ausgedacht und ganz sicher war da Generalmusikdirektor Lawrence Renes der entscheidende Motor.

Aber: Den Spagat zwischen einer launigen, moderierten Ariensammlung und einer unterhaltenden Konzeption schaffte man im ehemaligen Musicaltheater am Richtweg nicht immer befriedigend. Drei Arien aus „Margarete“ von Charles Gounod – wunderbar gesungen von George Stevens (Valentin), Iris Kupke (Margarete) und Karl Huml (Mephisto) – vermitteln sich ohne Szene kaum, noch weniger ohne Text, den der reichlich konfuse Moderator Hans Dieter Heimendahl auch nicht überbringen konnte.

Das gilt auch für die wunderbare kleine Oper „L’Heure Espagnole“ von Maurice Ravel, deren Komik schon die Szene braucht, wenn die drei Liebhaber der Uhrmachersgattin sich in den Uhren verstecken und darin transportiert werden. Blitzend schön und empfindlich waren die Klangfarben herausgearbeitet, hinreißend gesungen von Katharina von Bülow, Dirk Laplasse, Armin Kolarczyck, Karl Huml und Christoph Wittmann.

Wirkungsvoller ist da schon „Dialogues des Carmélites“ von Francis Poulenc (1953-55), wo der Stoff sich ohnehin vollkommen den gängigen Wirkungen des Musiktheaters sperrt: Die Aristokratin Blanche folgt ihren Karmeliterschwestern freiwillig auf das Schaffott der französischen Revolution. „Ich habe die Mentalität eines Landpfarrers“, sagt Poulenc zu seinen einfachen, aber höchst effektvollen dramaturgischen Konzeptionen puccinihafter Provenienz – hervorragend Marion Costa und Jeffrey Stewart.

Der große „Bolero“ von Ravel, noch immer und immer wieder als eins der meistgespielten Stücke unseres Konzertlebens, Prüfstein jeglicher Orchesterkultur, gelang mitreißend: Lawrence Renes vermied jeglichen zu frühen Effekt, meißelte das in der Musikgeschichte einzigartig dastehende zwanzigminütige Crescendo wirklich ganz ganz langsam und gelangt so zu einer überwältigenden Wirkung.

Wo würde denn je Hector Berlioz’ fulminante Bearbeitung der fünfstrophigen „Marseillaise“ für drei SolistInnen und Chor (Leitung: Thomas Eitler) je hinpassen, wenn nicht hier als Zugabe? Das war einfach toll, nicht mehr und nicht weniger.

Ute Schalz-Laurenze