jenni zylka über Sex & Lügen : Schlampen, die wissen, was sie wollen
Mein Vorbild: Elisabeth Volkmann aus „Klimbim“. Über Hausfrauenvamps von den 70ern bis in die 00er-Jahre
Was wäre, überlegte ich mir neulich in einer existenzängstlichen Alkoholdepression, wenn ich auf meine alten Tage den Typus des Hausfrauenvamps wiederbeleben würde? Sozusagen als Zukunftsinvestition für den Zeitpunkt, an dem auch ich meines Medienjobs verlustig gehe? Inspiriert worden bin ich natürlich von Elisabeth Volkmann, der Mutter des Hausfrauenvamps, deren „Klimbim“-Figur „Jolante“ nicht zufällig ihren Zenit 1978/79 hatte, am Ende der Klimbim-Staffel und am Anfang der Frauenbewegung.
Jolante, das weiß ich noch genau, pflegte den ganzen Tag in Nachthemd, Fuchspelz und Lockenwicklern durch die Wohnung zu schlawinern, unmäßig zu süffeln, ihre Stimme konsequent oberhalb des eingestrichenen C zu platzieren und entweder dem Gaby-Gör eine zu scheuern oder irgendein junges Mannsbild anzuplinkern. Ihre Sätze begannen mit „Mein erster Verflossener“ oder „mein zweiter Verflossener“, und insofern bin ich nicht sicher, ob meine gemäßigte Version mit „mein erster Schulfreund“ und „mein zweiter Schulfreund“ die gleiche Aufsehen erregende Wirkung hätte. Ein Gaby-Gör zum Ohrfeigen habe ich auch nicht, könnte mir aber vielleicht angewöhnen, zum Beispiel einem kleinen Mietpudel regelmäßig Schnauzenstüber zu geben, damit er beeindruckend und timingfest aufjault.
Des Weiteren hatte Volkmann als Jolante natürlich noch Wichart von Roell als Schwiegervater mit im Boot, der von seiner Zeit im Schützengraben schwärmt und im Komisston „Das Ei ist schon wieder hart!“ bellt, bevor er es durch das geschlossene Fenster schmeißt. Als Golfkriegsgeneration habe ich keinen echten Weltkriegsveteranen mehr in meinem näheren Bekanntenkreis, werde also auf ein solches Pendant verzichten müssen.
Aber die Jolante-Figur ist wirklich interessant, weil sie ein so positives Negativ zum „Was zieh’ ich an, was koch’ ich meinem Mann?“-Hausfrauenmodell bildet, das aus den 50ern stammt und sich bis heute in ekligen Werbeclips und reaktionären Provinzzusammenhängen hält. Und zumindest die Frauen, die momentan Junge kriegen und aufziehen, weil sie aus Arbeitsmarktgründen eh nichts anderes zu tun haben, sollten schwer aufpassen, dass sie dieses Modell nicht aus Versehen reanimieren.
Jolante ist eine Schlampe, die weiß, was sie will: ihre Ruhe, einen trinken und zum Frühstück jüngere Männer. Trotz positiver Identifikationsmöglichkeit ist allerdings wieder Obacht geboten, um sich mit einem solchen Verhalten – Nachthemd, Schnaps und Plüschpantoffeln – nicht doch selbst aus der engen Jobpyramidengrabkammer herauszukicken. Zu Hause bleiben und schwankend vor sich hin kieksen wäre schließlich ein freiwilliges Aufgeben der schwer erkämpften Chefinnenetagen.
Nein, überlegte ich also weiter, solange ich kann, werde ich zumindest einmal täglich angezogen das Haus verlassen, selbst das ist in manchen Ländern schon ein Privileg. Der Nachthemd-Cleavage-Schlampenlook kommt ohnehin nur gut mit Lockenwicklern.
Trotzdem habe ich große Lust, möglichst recht bald eine verblühte, geifernde Alte zu werden. Eine, die den Sekt nur aus pikanten Pompadours trinkt – diese Sektschalen heißen so, weil sie die Brust der Madame de Pompadour nachbilden, möchte gar nicht wissen, nach welchem Modell die Sektflöte geblasen wurde –, denn man kann die Pompadours so schön von oben an beiden Seiten greifen und Bette-Davis-mäßig hinunterstürzen. Eine, die dem schüchternen jungen Herrn Einliegerwohnungsstudent auf den Hintern klapst und dazu meckert wie eine Ziege. Und eine, deren faltiger Hals voller Plastikperlenketten hängt, denn die klappern lauter als echte Perlen.
Hoffentlich verblassen bis dahin wie bei echten, verblühten, geifernden Alten meine Permanent-Make-up-Tattoo-Strichlinien um die tränenden Augen, und ich könnte mir angewöhnen zu rauchen und Lippenstift zu benutzen, damit ich an allen Gläsern, Kippen und Männerhemdkragen dschungelrote Mundabdrücke hinterlassen kann. Werde gleich anfangen zu üben. Wo ist mein Negligé?
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