ROBIN ALEXANDER aus Südafrika über WHITE
: Fragt nie nach dem Weg!

Autofahren in Südafrika ist wie Fahrradabstellen an deutschen Unis: Kein Schloss der Welt schützt vor Dieben

Austauschschüler: Unser Kolumnist arbeitet für zwei Monate als Reporter bei „The Star“ – in Johannesburg, Südafrika. Au Backe!

Die Frage, die man als Reporter immer stellen sollte, ist: Wo ist die Geschichte? Die Frage, die man als Reporter in Johannesburg niemals stellen sollte, ist: Wo bin ich? Das sagte jedenfalls Tefo M., und der muss es wissen: Er arbeitet seit zehn Jahren in Johannesburg und darf sich jetzt zwei Monate bei der Nachrichtenagentur Reuters in Berlin erholen. Ich hingegen werde nach Südafrika geschickt.

Im Vorbereitungsseminar habe ich erläutert, dass die größte Gefahr in Berlin ist, ohne Fahrschein in der U-Bahn angetroffen zu werden. Tefo hat im Gegenzug mir und anderen Austauschjournalisten erklärt, dass es in Johannesburg keine U-Bahn gibt und hier die größte Gefahr sei, sich zu verfahren.

– „Fragt niemanden nach dem Weg. Es könnte ein böser Mensch sein.“

– „Können wir vielleicht Frauen fragen?“

– „Nein“, antwortet Tefo, „in Johannesburg gibt es auch böse Frauen.“

– „Können wir vielleicht Frauen mit kleinen Kindern fragen?“

– „Nein, besser ihr fahrt so lange, bis euch wieder irgendetwas bekannt vorkommt.“

In diesem Moment erschien mir das satellitengestützte Navigationssystem bei Autos zum ersten Mal nicht mehr als komplett überflüssige Erfindung.

Ebenso die Klimaanlage:

– „Kurbelt auf keinen Fall ein Fenster herunter, solange ihr in der Innenstadt unterwegs seid“, fiel Tefo noch ein. Und: „Verhaltet euch an roten Ampeln wie an Vorfahrt-beachten-Schildern. Es ist nie gut, zu lange anzuhalten.“ Man kann wirklich nicht behaupten, dass Tefo aus übertriebenem Lokalpatriotismus die Gefahren in der Stadt mit der höchsten Kriminalitätsrate der Welt kleingeredet hat.

– „Du hast dir eine gute Zeitung ausgesucht. Die Leute beim Star gehen viel raus in die Townships und kommen mit unglaublichen Geschichten zurück – falls sie zurückkommen.“ Ich glaube, Tefo hat ein gewisse Freude darin gefunden, weiße Gesichter besonders blass zu sehen.

Dann ist er da: mein erster Tag in Johannesburg. Ausreichend gewarnt, nehme ich ein Taxi zur Arbeit. Der Fahrer erzählt, wie schrecklich unsicher die Innenstadt geworden sei. Seinem Freund sei der neue Toyata schon in der ersten Woche gestohlen worden. An der Grenze habe die Polizei das Fahrzeug aber sichergestellt. Sein Freund habe hoch bis nach Mosambique gemusst, um den Wagen abzuholen. Gott sei Dank sei der völlig unbeschädigt gewesen.

– „Nicht mal das Schloss geknackt?“– „Nein, als der Wagen gestohlen wurde, saß mein Freund drin. Er stieg aus, weil die Diebe ihm einen Revolver an die Schläfe hielten.“ Als ich dies höre, vergesse ich Navigationssystem und Klimaanlage. Kein Presserabatt der Welt wird mich bewegen bei HertzAvisSixtEuropacar einen teuer aussehenden Wagen zu mieten!

Aber wer ist wirklich sicher vor Diebstahl? Nur der, der nichts hat. Autofahren in Johannesburg ist wie Fahrradabstellen an jeder deutschen Uni. Kein Schloss der Welt schützt teure Fahrräder vor Dieben: Man muss mit einer Gurke zur Vorlesung radeln, wenn man nicht nach Hause laufen will. Das wird auch am anderen Ende der Welt funktionieren: Ich brauche die Gurkenfahrradvariante als Auto! Die Idee ist so gut, dass sie schon jemand hatte: Der indische Inhaber von Rent-A-Wreck, Miet-ein-Wrack, auf dessen Anzeige in den gelben Seiten mich eine Kollegin aufmerksam macht. Für 100 Rand (ungefähr 12 Euro) am Tag kriege ich bei ihm einen Mazda, der bessere Tage gesehen hat und wohl auch einen Unfall. Für diese Schrottkiste wird keiner die Pistole ziehen. Hoffe ich.

– „Versicherung ist inklusive: Wenn das Auto gestohlen wird, musst du nur 1. 500 Rand zahlen, Sohn“, sagt der Inder.

– „Und warum blocken Sie dann 4.000 Rand auf meiner Kreditkarte?“, frage ich.

– „Das ist meine Versicherung, Sohn. Wenn du das Auto stiehlst.“

Rent-A-Wreck?kolumne@taz.de

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