Wie starb Lars Oliver Petroll?

Auch nach Vernehmung von sechs Zeugen durch den Bankenuntersuchungsausschuss sind Zweifel an der These vom Selbstmord des Aubis-Mitarbeiters nicht ausgeräumt. Kritik an der Justiz erneuert

VON RICHARD ROTHER

Die Frage bleibt: Ist im Zusammenhang mit dem Bankenskandal ein Mensch ermordet worden? Nachdem die Staatsanwaltschaft die Ermittlungen im Todesfall Lars Oliver Petroll eingestellt hatte, übernahm gestern der parlamentarische Untersuchungsausschuss zur Bankenaffäre die Ermittlungsarbeit. Er lud sechs Zeugen aus dem engeren beruflichen und persönlichen Umfeld Petrolls vor den Ausschuss. Das vorläufige Ergebnis der gestrigen Befragung, die auf Wunsch der Zeugen nicht öffentlich stattfand: Es gibt nach wie vor erhebliche Zweifel an der These, dass sich der ehemalige EDV-Chef der Immobilienfirma Aubis selbst das Leben genommen hatte. Petroll war im September 2001 erhängt im Grunewald aufgefunden worden.

Frank Zimmermann (SPD), Chef des Untersuchungsausschusses, im Anschluss an die gestrige Sitzung: „Unsere Zweifel sind bestätigt worden.“ Jetzt müssten die Zeugenaussagen ausgewertet werden, danach werde man gegebenenfalls erneut an die Staatsanwaltschaft herantreten. ,Das PDS-Ausschussmitglied Freke Over hält dies ohnehin für geboten: „Die Vernehmung hat meinen Eindruck bestärkt, dass das Verfahren dringend wieder aufgenommen werden muss.“ Das Verhalten der Staatswanwaltschaft sei ihm unverständlich.

Für den Grünen-Abgeordneten Wolfgang Wieland, der den Vater Petrolls anwaltlich vertritt, spricht auch nach der gestrigen Vernehmung vieles für Fremdverschulden und wenig für einen Suizid. Die frühe Festlegung auf Selbstmord sei falsch gewesen, wichtige Beweisstücke wie der Strick um den Hals des Toten seien vernichtet worden. Insgesamt ergebe sich das Bild eines Menschen, der versuchte, am großen, möglicherweise zu großen Rad zu drehen. Gemeint ist der Versuch Petrolls, Aubis-Manager mit dem Wissen um Unregelmäßigkeiten in der Immobilienfirma zu erpressen.

Eine Zeuge habe eindrucksvoll bestätigt, so Zimmermann, wie bei Aubis Rechnungen getürkt und Mittel abgezweigt worden seien. Diese seien offenbar den beiden Managern Klaus Wienhold und Christian Neuling (beide CDU) zugeflossen.

Gegen die Selbstmordthese der Staatsanwaltschaft sprechen möglicherweise weitere Indizien. Die gestrigen Zeugenaussagen hätten keine Suizidabsichten Petrolls erkennen lassen, so Wieland. Im Gegenteil hätten ihm beruflich alle Chancen offen gestanden. Zudem sei Petroll nie ohne Handy und seinen Organizer unterwegs gewesen. Beides wurde am Tatort aber nicht gefunden.

Bei den Zeugen handelt es sich um ehemalige Aubis-Mitarbeiter und Personen aus dem privaten Umfeld. Die Namen wurden zu deren eigenem Schutz nicht bekannt gegeben. Die Zeugen hätten subjektive Befürchtungen geäußert, sagte Wieland. Das sage viel aus über das Umfeld, in dem der Ausschuss arbeite. Holger Krestel von der FDP wurde deutlicher, sprach gar von „physischer Angst“ der Zeugen.

Kredite der zur Bankgesellschaft gehörenden Berlin Hyp an die Aubis-Gruppe und eine zeitnahe Barspende der Aubis-Manager an die CDU, die der damalige Fraktionschef Klaus Landowsky entgegennahm, hatten die Parteispenden- und Bankenaffäre ausgelöst. Zurzeit müssen sich die beiden Aubis-Manager Wienhold und Neuling wegen Betruges vor dem Landgericht verantworten. Ein weiterer Beschuldigter in diesem Verfahren war gestern vor den Untersuchungsausschuss geladen worden, nahm aber von seinem Recht auf Aussageverweigerung Gebrauch.