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Archiv-Artikel

Wie geht es uns, Herr Küppersbusch?

Eine neue linkssozialdemokratische Partei wird wenig Wirkung haben – außer dass schon der Gedanke daran die Sozialdemokraten erschreckt. Und sonst noch? Stell dir vor, „Big Brother“ läuft, und keiner regt sich darüber auf

taz: Was war schlecht in der letzten Woche?

Friedrich Küppersbusch: Riesenairplay für die Terroristen. Schwierig, wenn man so viel senden und schreiben muss und so wenig weiß.

Was wird besser in dieser?

Mehr Wissen, dafür weniger Interesse.

Ein paar Sozialdemokraten denken über eine neue linke Partei nach. Sollen Sie es probieren?

… hieße ja wohl, dass die SPD eine alte linke Partei sei, und da fangen die Irrtümer schon an. In ihrer flexiblen Handhabung von Werten und Prinzipien ist die SPD eine moderne Partei. Moderner als die CDU, die bei Steuerreform, Gentechnik, Zuwanderung und vielen aktuellen Themenfeldern größere Probleme hat, sich umfragegerecht zu programmieren. Wenn, dann geht’s also um das Outsourcing der alten SPD – also die MSPD – museale Sozis.

Aber die Geschichte zeigt seit der USPD-Gründung, dass alle linkssozialdemokratischen Versuche kläglich gescheitert sind. Warum soll das anders sein?

Kein so schlechtes Beispiel. Die USPD war ein Spaltprodukt – freigesetzt bei der Wandlung einer eben noch verbotenen, 50 Jahre oppositionellen SPD zur Staatsträgerfraktion. So radikal ist die Verschröderung heute nicht; und ein ausländisches Beispiel wie dunnemals die bolschewistische Revolution ist eher auch nicht in Sicht.

Aber die Schröder-SPD tut alles, um links viel Platz zu schaffen. Außerdem: Anders als früher heißt linkssozialistisch nicht mehr fast Kommunist. Also – wenn es im Parlament vier neoliberale Parteien gibt und die PDS nun mal eine Ost-Rentnerband bleibt – warum nicht?

Wenn’s schon gelingt, die PDS mit Tricks wie Neuzuschnitt von Wahlkreisen aus dem Parlament zu drängeln, geht es bei einer neuen Linkspartei nicht um eine reale Machtperspektive. Es geht um die explizite Drohung an die SPD, sich zurückzubesinnen.

In der letzten Woche haben sich Horst Köhler und Gesine Schwan vorgestellt. Welchen Eindruck haben die Kandidaten gemacht?

Köhler auf mich den, dass Bild ihn wirklich lieb hat. Schwan eher farblos. Das Potenzial der deutschen Elite und die Ausprägung der Bürgergesellschaft drückt sich im machtvollen Auftritt einer zornigen Pro-Schäuble-Initiative aus – tja.

Horst Köhler ist noch nicht Präsident, hält aber schon Reden. Er wünscht sich eine CDU-Regierung unter der Kanzlerin Angela Merkel. Darf er das?

Hat er? Dreist. Man kann doch so einen Deal auch ein bisschen höflich kaschieren. Zwischen den verschiedenen Darreichungsformen eines Bundespräsidenten – als Saft, als Tablette, als Pflaster – hat man sich diesmal offenbar für das Prinzip Zäpfchen entschieden.

Ex-Löwen-Präsident Wildmoser ist wieder auf freiem Fuß, der Fall bleibt. Dass die Bauwirtschaft korruptionsanfällig ist, weiß man. Wie steht es mit dem deutschen Fußball? Kann da noch mehr kommen?

Keine Ahnung ! Schlimm genug, dass man jetzt Bayern München als sauberes Gegenbeispiel loben muss. Nächstes Thema.

Morgen werden die Grimme-Preis-Träger verkündet. Wer soll unbedingt einen Preis bekommen? Wer auf keinen Fall?

Da Harald Schmidt auch fürs Nichtsenden (11. 9. ff.) schon nominiert war, muss sich die Jury diesmal etwas Neues einfallen lassen. In seiner Verzweiflung über das Gesamtangebot war der Preis in den letzten Jahren ab und an in Gefahr, sich zum Marler Tag des Dokumentarfilms zu wandeln. Da Qualität im herkömmlichen Sinne für TV-Erfolg immer unbedeutender wird, könnte man das Spektrum von den Machern auch auf die „Ermöglicher“ erweitern : Beispiel: ExSat.1-GF Martin Hoffmann für „Lengede“.

Ist der Grimme Preis eigentlich noch so wichtig wie früher?

Nach der Zusammenlegung der Befangenen – RTL-Löwen, ARD-ZDF-Telestar zum „Deutschen Fernsehpreis“ – ist der große Glanz nicht mehr die Grimme- Aufgabe. Bei Grimmes gibt’s Frikadelle an Fachgespräch. Der Volkshochschulverband als Stifter eines TV-Preises ist international betrachtet schon an sich ein Paradoxon: TV und Breitenbildung zu vereinen gilt als Maschinensturm. Den jedes Jahr zu riskieren ist die Aufgabe des Preises.

Big Brother läuft, von Bild „nach Kräften gefeaturt, aber ohne rechten Skandal zu machen. Noch nicht mal die üblichen Verdächtigen bei Kirche und der Moralfraktion regen sich anständig auf. Ist das Abstumpfung? Oder ein gutes Zeichen?

Der grundsätzliche Tabubruch – das Herzeigen einer wenn auch künstlich geschaffenen Intimsphäre – liegt hinter uns. Daher die Eskalation der Spielregeln, aber auch das Schrumpfen des Interesses.

Und was macht Borussia Dortmund?

Lassen Sie uns darüber reden, dass Bayern nicht Meister wird. Das interessiert doch die Leute.

FRAGEN: STEFAN REINECKE